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Firmen und der Shitstorm «Die Migros hat richtig gehandelt – aber zu spät»

Letzte Woche erntete die Migros einen Shitstorm, weil sie «Mohrenköpfe» aus dem Regal nahm. Kurz darauf stampfte sie zehntausende Papiertragtaschen ein, weil darauf die Illustration zweier nackter Frauen im Comic-Stil zu sehen war, von Künstlerinnen entworfen. Die Migros habe dabei nicht ganz alles falsch gemacht, sagt die Expertin Katarina Stanoevska.

Katarina Stanoevska

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Katarina Stanoevska ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen und befasst sich schwerpunktmässig mit digitaler Kommunikation.

SRF News: Kann man als Unternehmen auf Social Media überhaupt etwas gewinnen?

Katarina Stanoevska: Social Media bieten Unternehmen eine Möglichkeit der direkten Kommunikation mit ihren Kunden. Von Vorteil sind soziale Medien grundsätzlich auch im Fall eines Shitstorms, denn ein solcher kann auch unabhängig von der eigenen dortigen Präsenz ausgelöst werden, etwa durch den Tweet eines Dritten. Wenn ein Unternehmen in einem solchen Fall in den sozialen Medien nicht präsent ist, hat es weniger Möglichkeiten, die Kommunikation zu steuern.

Kann ein Unternehmen einen Shitstorm überhaupt kontrollieren?

Es gibt durchaus einen gewissen Grad an Kontrollierbarkeit. So kann man versuchen, lenkend einzugreifen – etwa durch ein Monitoring, damit man früh erkennt, falls sich etwas anbahnt. Auf diese Weise kann auch schnell reagiert werden, um den Kritikern den Raum einzuengen und ihnen zu erschweren, die negative Meinungsbildung anzuheizen.

Grundsätzlich sollte man versuchen, einen Shitstorm durch Fakten zu entkräften.

Zudem kann rasch auf die Initiatoren des Shitstorms eingegangen und eine direkte Kommunikation aufgebaut werden. Bei einem Shitstorm wegen eines Fehlverhaltens ist ausserdem wichtig, diesen Fehler rasch zuzugeben und entsprechend zu agieren. Grundsätzlich sollte man versuchen, den Shitstorm durch Fakten zu entkräften. Trotz all dieser Möglichkeiten gibt es aber keine 100-prozentige Sicherheit, einen Shitstorm unter Kontrolle zu bringen.

Die Migros hätte ihre Einsicht nicht erst haben sollen, nachdem die Tüten schon produziert worden waren.

Manche Firmen wie Adidas oder Amazon sind auf die Black-Lives-Matter-Diskussion aufgesprungen. Wie sinnvoll ist das für Unternehmen?

Bei politischen Diskussionen mitzumischen kann durchaus eine Möglichkeit sein, ist aber heikel. Man muss dabei sehr gut aufpassen, dass man sich damit nicht schadet. Politische Debatten haben auch Auswirkungen auf Unternehmen. Insofern rückt eine proaktive Haltung ein Unternehmen in ein positives Licht und kann sogar ein Wettbewerbsvorteil sein. Allerdings muss die Haltung authentisch sein, um nicht selber in einen Shitstorm zu geraten.

Um zur Migros zurückzukommen: Ist der Rückzug der Papier-Tragetaschen eine Art vorauseilender Gehorsam?

Nein. Man hat inzwischen ja einige der Bilder gesehen. Dabei ist klar geworden, dass sie Assoziationen zu kontroversen Themen wie Frauenfeindlichkeit, Sexismus oder Gleichberechtigung wecken können. Deshalb war die Reaktion der Migros wohl richtig, auch wenn sie diese Einsicht viel früher hätte haben sollen – also nicht erst, nachdem bereits 125'000 Papiersäcke produziert worden waren. Denn Unternehmen müssen ihre Produkte sehr genau prüfen, bevor sie damit in die Öffentlichkeit gehen.

Das Gespräch führte Susanne Stöckl.

SRF 4 News aktuell vom 18.6.2020, 11.15 Uhr ; 

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