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Folgen des Ukraine-Kriegs Ukraine-Krieg könnte weltweit Hungersnöte und Revolten auslösen

Der Krieg in der ukrainischen Kornkammer treibt die Preise hoch. Hungeraufstände in armen Ländern sind eine reale Gefahr.

Die Ukraine gilt als Kornkammer Europas, wenn nicht der Welt. Zehn Prozent des weltweit gehandelten Weizens und 15 Prozent vom Mais stammen aus dem umkämpften Land. Doch seit Russland in die Ukraine eingefallen ist, gibt es kaum noch Exporte aus der Ukraine.

Ein wichtiger Grund seien die blockierten Häfen, sagt Wilfried Bommert vom Institut für Welternährung in Berlin: «Der grösste Teil geht über den Seeweg und der wird gerade dichtgemacht. Selbst da, wo noch grosse Lagerbestände bestehen wie beim Mais, geht nichts mehr. Die Ukraine ist als Exportland kaltgestellt.»

Selbst dort, wo noch grosse Lagerbestände bestehen wie beim Mais, geht nichts mehr.
Autor: Wilfried Bommert Institut für Welternährung, Berlin

Die Sorge vor Engpässen hat die Preise an den Agrarmärkten bereits auf Rekordstände getrieben. An der Börse in Chicago, einem wichtigen Handelsplatz für Agrarrohstoffe, schoss der Weizenpreis zuletzt auf ein 14-Jahres-Hoch.

Allein in der vergangenen Woche stieg er um 40 Prozent. Dabei schwingt schon die Sorge mit, dass auch Russland wegen der Sanktionen des Westens bald deutlich weniger Weizen liefern könnte. Zusammen stehen Ukraine und Russland für ein Viertel der globalen Weizenexporte.

Auch andere Lebensmittel betroffen

Steigende Getreidepreise heizen auch die Teuerung bei den übrigen Lebensmitteln an.  Schon vor dem russischen Einmarsch war das globale Preisniveau hoch, auch als Folge von Lieferengpässen in der Covid-Krise. Im Februar lag der Lebensmittelpreisindex der UNO-Ernährungsorganisation FAO fast ein Viertel höher als ein Jahr zuvor. Der Trend wird durch den Ukraine-Krieg noch verstärkt.

Auch unter der optimistischen Annahme, dass der Krieg schnell beendet und die Schwarzmeerhäfen schnell wieder in Betrieb genommen würden: Es sei unwahrscheinlich, dass die Lieferungen aus der Ukraine bald wieder das Vorkriegsniveau erreichten, sagt Wilfried Bommert: «Wir wissen nicht, wie die Aussaat in der Ukraine in diesem Jahr stattfinden wird und die Landwirte unter Kriegsbedingungen aussähen sollen.»

Wir wissen nicht, wie die Aussaat in der Ukraine in diesem Jahr stattfinden wird und die Landwirte unter Kriegsbedingungen aussähen sollen.
Autor: Wilfried Bommert Institut für Welternährung, Berlin

Dünger und steigende Gaspreise

Und selbst wenn das geht, wird schon jetzt befürchtet, dass nicht genug Dünger vorhanden ist. Denn Stickstoffdünger wird aus Erdgas gewonnen, der Gaspreis ist als Folge des Krieges kräftig gestiegen und hat auch Dünger deutlich verteuert.

Unwahrscheinlich sei auch, dass die ausbleibenden Lieferungen aus der Ukraine auf die Schnelle durch andere grosse Agrarproduzenten wie etwa Argentinien kompensiert werden, so Bommert. Denn in Südamerika gingen die Ernten gerade eher zurück, bedingt durch klimabedignte Dürren.

Das Getreide-Angebot dürfte also für eine ganze Weile knapp bleiben – und die Preise entsprechend hoch. Besonders für arme Länder wie Ägypten oder Tunesien, die einen grossen Teil ihres Getreides aus der Ukraine und Russland importieren, könnte das dramatische Folgen haben.

Beispiel: Ägypten

In Ägypten zum Beispiel ist der Brotpreis schon jetzt hochsubventioniert. Der Brotpreis ist ein politischer Preis, der den Staatshaushalt belastet. Weil die Getreidepreise aber schon vor dem Ukraine-Krieg stark gestiegen waren, kündigte die Regierung steigende Brotpreise an – zum ersten Mal seit Jahrzehnten.

Damit riskiere die Regierung eine Revolte, befürchtet Bommert und erinnert an die zahlreichen Hunger-Aufstände in der ganzen Welt ab 2008. Diese Sorge teilen das UNO-Welternährungsprogramm und die UNO-Ernährungsorganisation FAO. So könnte der Krieg in der Ukraine dazu führen, dass auch Nordafrika weiter destabilisiert wird.

Echo der Zeit, 08.03.2022, 18:00 Uhr

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