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Gegen den Medikamentenmangel Die Abhängigkeit von Asien soll verringert werden

Die Coronakrise macht deutlich: Die Pharmaindustrie hängt bei vielen Medikamenten am Tropf von China und Indien. Es gibt Ideen, das zu ändern. Aber das kostet Geld.

Rund 600 Medikamente fehlen regelmässig in den Schränken von Apotheken, Arztpraxen und Spitälern in der Schweiz. Es sind meist eher günstige Medikamente, deren Patentschutz abgelaufen ist. Es sind Schmerzmittel oder auch Antibiotika.

Grund für den Mangel sind Lieferschwierigkeiten: Die Wirkstoffe – also wichtige Bestandteile dieser Medikamente – werden aus Kostengründen in Indien und China produziert. Sind dort die Fabriken geschlossen, wie in Zeiten des Lockdown, bleiben die Lieferungen reihenweise aus.

Forderung nach Produktion in der Schweiz

Damit die Engpässe überbrückt werden können, schlägt der Verband der produzierenden Pharmafirmen Interpharma grössere Lager vor. Ärzte und Spitäler könnten damit auf vollere Vorratskammern in den Pflichtlagern zurückgreifen.

Politikerinnen und Politiker fordern aber auch, dass die Wirkstoffproduktion in die Schweiz zurückgeführt wird. Gemäss Intergenerika, dem Verband der Generika-Produzenten, wäre das möglich. Allerdings würden sich die Investitionen auf Millionen belaufen.

Es seien deshalb Anreize nötig, sagt Axel Müller, Geschäftsführer von Intergenerika. Denkbar seien etwa steuerliche Vorteile, Abgabegarantien oder günstigere Abschreibungsmethoden. Müller war selber Mitglied des Corona-Krisenstabs des Bundesrats und empfiehlt diesem, aussenpolitisch aktiv zu werden.

Europäische Lösung angestrebt

Eine Wirkstoffproduktion in Europa könne aber nur gelingen, wenn die Länder gemeinsam vorgehen und sich koordinieren. Auch Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel (CVP/AG), Präsidentin der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, sieht in koordiniertem Vorgehen Potenzial. Zudem brauche es zwischen Unternehmen und Bund Leistungsvereinbarungen.

Eine Rückführung der Wirkstoffproduktion nach Europa hätte höhere Preise zur Folge. Dazu gibt es Studien mit Penicillin: Würde eine Tagesdosis des Antibiotikums nicht in Asien, sondern in Europa produziert, wäre die Dosis 49 Rappen teurer.

Es braucht Veränderungen

Die Diskussion über höhere Kosten werden Politikerinnen und Politiker demnächst führen. Auch eine Arbeitsgruppe des Bundes macht sich derzeit Gedanken dazu.

Dass es Veränderungen braucht, scheint sich inzwischen auch die Politik einig zu sein. Doch wie weit sie gehen werden, wird sich erst noch zeigen.

Pharma als Service public?

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Legende: Imago

Für kritische Politikerinnen und Politiker aus dem linken Lager gehen bisher diskutierte Lösungsansätze viel zu wenig weit. Die linke Denkfabrik «Denknetz» fordert, dass die Medikamentenindustrie zum Service public werden müsste. Das Herzstück dieses Service public hat «Denknetz»- Mitglied Beat Ringger in Basel, beim Grosskonzern Novartis, gefunden: Die Novartis-Tochterfirma Sandoz, die Generika verkauft, solle dem Bund übergeben werden, so Ringger. Der Bund könne Sandoz dann als Kern für öffentlich gesteuerte Labors, Forschungseinrichtungen und Produktionsstätten nutzen. «Sie produzieren die wichtigen Medikamente und stellen sicher, dass die Weltbevölkerung versorgt werden kann.»

SRF 4 News, Echo der Zeit vom 21.7.2020, 18.00 Uhr

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