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«Gen Z» in der Arbeitswelt Sie möchten kein Burnout – Junge wollen Flexibilität und Spass

Junge Arbeitnehmende haben hohe Ansprüche. Was Unternehmen herausfordert, sieht die Expertin für Arbeitspsychologie als gesunde Entwicklung.

Arbeiten bis zum Umfallen ist out. Die jungen Erwachsenen wollen mehr Freizeit, eine sinnvolle Arbeit und einen hohen Lohn. Vor allem die Generation Z, die Bis-Mitte-20-Jährigen und aktuellen Berufseinsteiger, stehen für diesen Wandel. Ihre Ansprüche fordern Arbeitgebende in Zeiten des Fachkräftemangels stark heraus.

Ich mache nicht alles.
Autor: Noah (19) Instandhaltungsmechaniker

«Ein Job mit Mehrwert, der mir Spass macht», wünscht sich der Student Vincent (20) aus der SRF-Community. «Das Wichtigste für mich ist der Respekt von oben gegenüber den Angestellten», stellt die angehende Biologin Lara (22) fest. «Ich will ein Chef, der mir zuhört und mir anständige Aufträge gibt – ich mache nicht alles», meint Instandhaltungsmechaniker Noah (19).

Konsens ist klar: Die Jungen haben hohe Ansprüche

Dass die jungen Erwachsenen hohe Ansprüche stellen, streiten sie alle nicht ab. «Mir kommt es vor, als wolle meine Generation die maximale Entlöhnung für wenig Arbeit», reflektiert Noah. Lara pflichtet bei: «Ich habe das Gefühl, dass die Ansprüche gestiegen sind.»

Quiet Quitting: Schluss mit extra Effort am Arbeitsplatz

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Fertig mit Überstunden auf der Arbeit – geleistet wird nur noch, was der Vertrag verlangt. Mehr zum Zug kommen sollen Familie und Freizeit. Das ist Quiet Quitting.

Den Begriff mit in die Welt gesetzt hat ein junger Mann auf TikTok, Zaid Khan. Er definiert Quiet Quitting so: «Du kündigst nicht deinen Job, arbeitest aber nicht mehr als dein Vertrag vorsieht. Arbeit ist nicht dein Leben, dein Wert als Mensch definiert sich nicht über deine Produktivität.»

Vor allem die Generation Z, aber auch die Millennials, wollen die Fehler ihrer Eltern nicht wiederholen. Das heisst, sich nicht im Job verausgaben oder sich über die Arbeit definieren. Wochenenddienste werden abgelehnt, nach Feierabend keine Anrufe mehr angenommen, auch nicht mehr ins Mail-Postfach geschaut. Plädiert wird für mehr Lebenszeit statt Konsum und Karriere, für eine ausgeglichene Work-Life-Balance.

Eine repräsentative Studie von Ernst & Young unter jungen Arbeitnehmenden in der Schweiz zeigt: Das Arbeitsklima ist der wichtigste Faktor bei der Stellensuche. Und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und flexible Arbeitsmodelle fallen unter die Top-Kriterien. Die Höhe des Gehalts steht für Frauen nur auf Platz fünf, für Männer auf Platz drei der relevanten Faktoren.

Dass immer mehr Menschen die Nachteile eines übergrossen Engagements für die Arbeit sehen, ist eine gesunde Entwicklung.
Autor: Gudela Grote Professorin für Arbeitspsychologie ETH Zürich

In der Schweiz hat die Arbeitstätigkeit einen hohen Stellenwert. Das sei eine gute Ausgangslage für hohe Motivation, sagt Gudela Grote. Die Professorin für Arbeitspsychologie an der ETH Zürich sieht aber auch die Notwendigkeit eines guten Gleichgewichts: «Dass immer mehr Menschen die Nachteile eines übergrossen Engagements für die Arbeit sehen, ist eine gesunde Entwicklung.»

Junge lehnen sich über einen Tisch und schauen in einen Laptop.
Legende: Laut der Studie von Ernst & Young können sich 55 Prozent der 18- bis 40-Jährigen in der Schweiz vorstellen, den Job zu wechseln. 21 Prozent seien sogar aktiv auf der Suche nach einer neuen Stelle. Getty Images/Simon Ritzmann

Dazu gehöre, dass beide Seiten bereit sind, unrealistische Ansprüche zu überdenken. «Sinnvolle Arbeit, Entwicklungsmöglichkeiten und Respekt sind aber sicher gerechtfertigte Ansprüche», sagt Grote. In diesem Sinne sei es gut, wenn junge Menschen ihre Vorgesetzten in die Pflicht nehmen.

Das ewige Generationengeplänkel

Dem Vorwurf der Faulheit entgegnet SRF-Userin Nina: «Ich sehe in meinem Umfeld ältere Menschen mit Burnout. Dass wir Jungen, die das nicht wollen, als faul abgestempelt werden, finde ich falsch.» Der Wunsch nach Zeit ausserhalb des Jobs sollte nicht mit Bequemlichkeit verwechselt werden, meint Vincent. «Ich denke, hier spielt das bekannte Generationengeplänkel hinein. Seit jeher wird von einer faulen Jugend gesprochen.»

Die alte Leier der faulen Jugend

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«Sie lieben den Luxus und faulenzen», soll der griechische Denker Sokrates mehr als 400 Jahre vor Christus von den jungen Menschen seiner Zeit gesagt haben. «Die Jüngeren stellen sich auf eine Stufe mit den Älteren und widersetzen sich ihnen in Wort und Tat», schimpfte damals sein Schüler Platon.

Die Kritik an jungen Erwachsenen und ihrer Arbeitsmoral scheint, ein uraltes Phänomen zu sein: 1000 v. Chr. soll auf einer babylonischen Tontafel geschrieben worden sein: «Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben (...) und faul. Sie wird niemals so sein, wie die Jugend vorher.»

Arbeitspsychologin Gudela Grote ordnet ein: «Die Forschung zeigt, dass vermeintliche Generationeneffekte eher Alterseffekte sind und oftmals auch eher auf Stereotypen als auf tatsächlichen Unterschieden basieren.» Für gute Arbeitsbeziehungen sei es jedoch zentral, dass sich ältere und jüngere Personen möglichst vorurteilsfrei begegnen.

Für Noah beginnt dies schon in der Schulzeit: «Ich habe früh gemerkt, dass Lehrpersonen und Eltern Druck ausüben, damit wir möglichst schnell eine Ausbildung beginnen.» Man lasse den Berufseinsteigern zu wenig Zeit, um sich bewusst zu entscheiden. «Darum gibt es auch so viele Lehrabbrüche.»

Die Jungen hätten den Luxus, sich den Arbeitgeber auszusuchen, meint Vincent. Und das sei gut so: «Wenn Menschen zufriedener sind, dann können sie sich auch mehr in die Gesellschaft einbringen. Das bringt schliesslich mehr, als eine Stunde früher im Büro zu stehen.»

10vor10, 12.12.2022, 21:50 Uhr

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