Die Firma Kühne und Nagel ist in der Seefracht das weltweit grösste Transportunternehmen. Die Firma hat zwar selber keine Schiffe, organisiert aber den Transport und hat somit einen vertieften Einblick in den aktuellen Warenfluss. Der Transport sei stark zurückgegangen, sagt Matthias Wolf, Chef von Kühne und Nagel Schweiz. Es müsse bald eine Lösung gefunden werden – sonst würden sich die Regale in den USA leeren.
SRF News: Wie stark ist der Schiffstransport zwischen China und den USA eingebrochen?
Matthias Wolf: Zurzeit sehen wir einen Rückgang der effektiven Verschiffungen von China in die USA von 40 Prozent.
Wie sieht es für die kommenden Wochen aus, in Bezug auf den Transport?
Die 40 Prozent beziehen sich auch auf die Bestellungen. Wir sehen, dass viele Bestellungen zurzeit aufgeschoben oder gestrichen worden sind. Wir sprechen hier von Produkten, die mit Containerschiffen von China in die USA transportiert werden.
Ein Rückgang von 40 Prozent ist in der jüngeren Zeit einmalig.
Es geht um die Routen der Häfen von Shanghai, Ningbo, Shenzhen zu den Häfen der Westküste der USA, Long Beach und Los Angeles.
Ein Rückgang von 40 Prozent auf der wichtigsten Handelsroute der Welt: Haben Sie so einen Rückgang jemals erlebt?
Wir haben immer wieder Rückschläge. Das heisst, die Lieferketten verändern sich dauernd. Ein Rückgang von 40 Prozent in der Seefracht ist aber in der jüngeren Zeit einmalig.
Wie geht es weiter, auf welche Indikatoren schauen Sie?
Aus der Vergangenheit wissen wir, wenn Lieferketten aus dem Gleichgewicht geraten, ist jeweils noch Ware für vier bis sechs Wochen vorhanden. Das heisst, es braucht eine Lösung. Ansonsten werden wir in den USA leere Regale sehen. Ein Containerschiff von Shanghai nach Long Beach oder Los Angeles braucht in der Regel um die 22 Tage.
Was heisst der starke Rückgang konkret? Sind die Schiffe nur noch halb beladen oder werden Fahrten gestrichen?
Wir beobachten, dass die Schiffe derzeit weniger ausgelastet sind. Es macht für die Reedereien auch keinen Sinn, den Fahrplan der letzten Wochen und Monate beizubehalten. Die Frachtschiffe bleiben zum Teil leer an den Häfen.
Die Schiffe zwischen China und den USA sind derzeit also nicht mehr ausgelastet. Heisst das auch, dass der Transport günstiger wird?
Nein, nicht unbedingt. Die Frachtraten sind nicht gefallen, weil die Reedereien Kapazitäten aus dem Markt nehmen, es gibt weniger Fahrten. Die Frachtkosten kann man mit einer Börse vergleichen. Das regelt sich jeden Tag nach Angebot und Nachfrage. Wir als Logistiker, wir machen die Preise nicht. Die Preise werden durch die Reedereien gemacht, ähnlich wie bei einer Fluggesellschaft, bei einer Airline, welche die Ticketpreise bestimmen, auch basierend auf Angebot und Nachfrage.
China ist von den Zöllen aus den USA am meisten betroffen; wie läuft der Schiffstransport mit den anderen Ländern im asiatischen Raum?
Wir sehen verstärkt Buchungen aus Vietnam, Malaysia, Thailand, Indonesien, generell Südostasien, welche die Rückgänge aus China fast kompensieren. Das heisst, es wird jetzt einfach bei anderen Firmen bestellt. Wir haben dies bereits nach der Pandemie gesehen. Wir nennen das «China plus eins». Viele Kunden wollen weniger abhängig von China sein und haben weitere Produktionsstandorte eröffnet.
Glauben Sie, wir haben eine Zäsur im weltweiten Handel – einen Bruch?
Nein, ich sehe das anders. Die Globalisierung geht weiter. Wir haben das auch nach Covid-19 gesehen, da wurde viel von «Nearshoring» geredet, von Fabriken, die näher an Europa heranrücken. Das ist aber nicht passiert.
Das Gespräch führte Manuel Rentsch.