Ob Pharmaprodukte, Maschinen oder gar Gold: Die Schweizer Exporte in die USA haben sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht. Doch diese Beziehung will gepflegt werden. Im Zentrum dabei steht die Schweizerisch-Amerikanische Handelskammer. Dort gibt es nach fast zwei Dekaden einen Wechsel: Rahul Sahgal löst den umtriebigen Martin Naville an der Spitze ab.
An der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft
Weisses Hemd, breites Lachen, selbstbewusstes Auftreten. Proper, aber nicht gekünstelt. Das ist der erste Eindruck von Rahul Sahgal. Aufgewachsen ist der 48-jährige Ökonom und Jurist mit indischen Wurzeln in Zürich. Nach Jobs in der Finanzbranche folgten Stationen beim Winterthurer Maschinenhersteller Rieter und dem Automobilzulieferer Autoneum. Dann der Eintritt ins diplomatische Korps der Schweiz: Brüssel, Bern, dann Washington DC.
Zuletzt amtete Sahgal als stellvertretender Leiter der Steuerabteilung im Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF). Eine Vita, die ihn, so sagt er, bestens für den Job bei Handelskammer qualifiziere. Ein Job an der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft.
Für Schweizer Unternehmen sei der US-Markt zentral: «Die USA sind unser wichtigster Handelspartner und zugleich das Land, das am meisten direkt in die Schweiz investiert.» Das Wohlergehen der Schweiz sei abhängig von den USA.
Sahgal versteht sich als modernen Lobbyisten, der mit seinen Verbindungen nach Bern und Washington beste Bedingungen für US-Konzerne in der Schweiz schaffen will. Da gebe es noch viel zu tun. «Aus meiner Sicht sind die internationalen Firmen in der Schweiz unterrepräsentiert. Sie bezahlen aber 48 Prozent der Unternehmenssteuer.» Die Hauptaufgabe der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer sei es, das zu ändern.
Keine Alternative zum US-Markt
Was derzeit noch mehr interessiert, ist die Frage, wer ins Weisse Haus einzieht. Die grossen Schweizer Player im US-Markt, Roche, Novartis oder ABB, halten sich mit Aussagen vornehmlich zurück. Man arbeite mit jeder Regierung zusammen, sagen sie auf Anfrage – egal ob mit Trump oder Harris.
Die Gefahr, dass wir als kleine, offen Volkswirtschaft zwischen den USA und China zerrieben werden, existiert durchaus.
Dem pflichtet Sahgal bei. Derzeit profitieren viele Schweizer Unternehmen ohnehin direkt oder indirekt von den staatlichen Geldspritzen der Biden-Regierung. Gerade, weil die Firmen in jenen Branchen tätig sind, wo das meiste Geld fliesst: etwa im Bausektor, grünen Technologien oder in der Gesundheit.
Kommt hinzu: «Es gibt keine Alternative zum US-Markt. Es gibt derzeit nicht sehr viele Länder, wo man noch investieren und zugleich wachsen kann», sagt Sahgal. Bleiben also die USA als erster Wachstumsmarkt.
Alles bestens also? Mitnichten. Den Protektionismus der USA, von Trump erfunden und von Biden verschärft, beobachtet auch Sahgal mit Sorge. Ein freier Handel ohne hohe Zölle sei für die Schweiz entscheidend, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch eine Präsidentin Harris dürfte keine grossen Korrekturen vornehmen, wie er glaubt.
Es gibt weitere Herausforderungen für die Schweiz. Den Handelskrieg zwischen den USA und China zum Beispiel: «Die Gefahr, dass wir als kleine offene Volkswirtschaft zwischen den USA und China zerrieben werden, existiert durchaus. Themen wie Sanktionen oder Investitionskontrolle sind nicht vom Tisch», sagt Rahul Sahgal. Für den neuen Chef der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer bleibt also genug zu tun.