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Heute Millionen-Jackpot Unvernünftig und trotzdem beliebt: Warum wir Lotto spielen

Der Jackpot ist prall gefüllt. Darum spielen derzeit mehr Menschen Lotto. Je mehr Spielerinnen und Spieler teilnehmen, desto tiefer ist aber die Chance, dass einer alleine den ganzen Gewinn für sich behalten kann. Warum Lotto dennoch beliebt ist, hat unter anderem mit Psychologie zu tun.

Der Lotto-Jackpot lockt mit 45.3 Millionen Franken. Er ist seit dem 26. August im letzten Jahr unangetastet. Inzwischen ist das der drittgrösste Jackpot seit 1970. Am 23. August 2014 wurde der Jackpot bei einer Höhe von 48.6 Millionen geknackt. Der höchste Jackpot von 70 Millionen Franken wurde am 17. Dezember 2016 von drei Spielenden gewonnen.

Swisslos, die Schweizer Lotteriegesellschaft, rechnet bei diesem hohen Jackpot mit dreimal so vielen Spielenden wie zu Beginn der Jackpot-Periode.

Niemand holt Hauptgewinn – Jackpot neu bei 48 Millionen

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Niemand hat heute Abend im Swiss Lotto den Jackpot von 43.5 Millionen Franken geknackt. Für die nächste Ziehung wächst dieser damit auf 48 Millionen Franken. Damit rückt die bisher ausbezahlte Rekordsumme in Reichweite. Diese belief sich auf rund 48.6 Millionen Franken und datiert aus dem Jahr 2014. Der höchste Jackpot im Swiss Lotto liegt allerdings nach wie vor in weiter Ferne. Im Dezember 2016 hatten sich 70 Millionen Franken angehäuft.

Mit den Zahlen 17, 20, 32, 35, 36, 42 und der Glückszahl 2 gab es nicht einmal eine neue Lottomillionärin oder einen neuen Lottomillionär mit sechs Richtigen und Glückszahl, wie Swisslos mitteilt. Der höchste Gewinn belief sich auf 8084 Franken für fünf Richtige und die Glückszahl. Fünfmal richtig tippten 26 Personen.

Doch die Gewinnchance bleibt tief. Sie beträgt 1 zu 31 Millionen. Viele werden leer ausgehen. Rein mathematisch – mit Blick auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung – lohnt sich der Spieleinsatz kaum. Dennoch tun es viele. Das hat auch mit psychologischen Effekten zu tun.  

Kleine Wahrscheinlichkeiten werden in der Tendenz überschätzt.
Autor: Christian Weibel Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Luzern

Christian Weibel, der an der Hochschule Luzern im Bereich Wirtschaftspsychologie forscht und doziert, erklärt: «Kleine Wahrscheinlichkeiten werden in der Tendenz überschätzt». In anderen Worten: «Die Wahrscheinlichkeit wird subjektiv höher eingeschätzt, als sie effektiv ist.» Die eigenen Gewinnchancen werden also besser eingeschätzt, als sie sind.

Frau füllt Lottoschein aus.
Legende: Im laufenden Jahr gab es schon drei Lotto-Millionäre. KEYSTONE/Alexandra Wey

Zudem komme die sogenannte Verfügbarkeitsheuristik zum Zug. Sie beantwortet die Frage, wie leicht einem ein Ereignis einfällt. «Wenn man von Personen liest, die im Lotto gewonnen haben, oder viel Werbung sieht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst auch Lotto spielt», so Weibel.

Nicht nur unvernünftig

Dennoch ist Lotto spielen nicht einfach nur unvernünftig. Denn was konkret mit rational gemeint sei, sei zu definieren, so Weibel. «Man kann auch sagen, dass sich die Chance auf einen so hohen Gewinn sonst kaum bietet. Und die Eintrittshürde, um mitzuspielen, ist sehr tief». Es braucht weder Vorwissen noch eine spezielle Infrastruktur. Mit ein paar wenigen Franken ist man dabei. Warum also nicht probieren, wo es doch wenig zu verlieren gibt.

Im Alltag dabei: kognitive Verzerrungen

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Es gibt in zahlreichen Lebenssituationen psychologische Verzerrungen, die uns täuschen.

Der Optimism-Bias : Für die eigene Situation werden Wahrscheinlichkeiten über- oder unterschätzt. «In Befragungen schätzen viele ihr persönliches Risiko, an einer Krankheit zu erkranken, als unterdurchschnittlich ein», erläutert Christian Weibel von der Hochschule Luzern. Die Aussichten auf Erfolg hingegen werden überdurchschnittlich bewertet.

Statistisch gesehen sind diese Annahmen irrational. Doch für den Einzelnen können sie auch rational und sinnvoll sein. Christian Weibel sagt: «Man kann argumentieren, dass es besser ist, aus gesundheitspsychologischen Gründen optimistisch durchs Leben zu gehen. Man hat vielleicht auch eher Erfolg, wenn man positiv gestimmt ist, als wenn man es nicht tut.»

Der Status Quo-Bias : Aktuelle Situationen werden gegenüber Veränderungen bevorzugt. Menschen bleiben eher bei bisherigen Gewohnheiten, auch weil sie schon viel investiert haben. Diese Verzerrung findet sich in zahlreichen Lebenssituationen, beispielsweise auch in Beziehungen oder bei Projekt-Finanzierungen. «Man hat die Tendenz, weiter in Projekte zu investieren, obwohl man weiss, dass sie kaum erfolgreich sein werden», erklärt Wirtschaftspsychologe Christian Weibel.

Auch die Spiellust, die Unterhaltung und der Nervenkitzel sind Argumente für das Lotto spielen, die zählen. Es zählt also nicht nur die Mathematik allein.

Der Ball und der Schläger: Mach das Gedanken-Experiment

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Ein Ball und ein Schläger kosten zusammen 1.10 Franken. Der Schläger kostet einen Franken mehr als der Ball. Wie viel kostet der Ball?

Die Antwort: Der Ball kostet 5 Rappen.

Viele antworten, dass der Ball 10 Rappen kostet. «Das hat mit einem zu starken Vertrauen in die eigene Intuition zu tun», so Christian Weibel von der Hochschule Luzern. Denn «schnell gedacht», intuitiv, zieht man von 1.10 Franken einfach einen Franken ab und kommt auf 10 Rappen.

Aber richtigerweise lautet die Gleichung (B für Ball) B + (B + 1 Franken) = 1.10 Franken. Wird die Gleichung nach B aufgelöst, ergibt das Resultat 5 Rappen.

SRF 1, 07.02.2024, 19:20 Uhr

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