Die OECD-Mindeststeuer sorgt erneut für Diskussionen in der Schweiz. Der Hauptgrund: Viele Unternehmen leiden unter den hohen Zöllen, welche die USA auf ihre Produkte erheben. Eine Abschaffung der Mindeststeuer könnte Entlastung bringen, sagen bürgerliche Politiker. Doch Wirtschaftskreise warnen: Die OECD-Mindeststeuer zu kippen bringe nichts. Wirtschaftsredaktor Damian Rast beantwortet die wichtigsten Fragen zur aktuellen Debatte.
Was ist die OECD-Mindeststeuer und worum geht es in der aktuellen Debatte?
Die OECD-Mindeststeuer ist eine internationale Steuerreform, vereinbart von rund 140 Staaten, darunter auch die Schweiz. Sie will, dass Staaten Gewinne grosser, international tätiger Konzerne mit mindestens 15 Prozent versteuern. Ziel ist es, einen Steuerwettbewerb ohne Grenze nach unten zu verhindern. Die Schweiz hat die Reform seit Anfang 2024 teilweise eingeführt. Nun fordern bürgerliche Politiker, vor allem aus der FDP, ihre Abschaffung – um Unternehmen in der angespannten Wirtschaftslage zu entlasten.
Besteht ein Zusammenhang zwischen den US-Zöllen und der Mindeststeuer?
Nicht direkt. Von den hohen Zöllen betroffen sind vor allem kleine und mittlere Firmen – etwa Maschinenbauer, Uhren- oder Lebensmittelproduzenten. Der OECD-Mindeststeuer unterliegen aber nur grosse Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro. Diese grossen Unternehmen sind dafür aber von den Zöllen weniger betroffen: Pharmaprodukte aus der Schweiz wurden von den USA bisher nicht mit Zöllen belegt, grosse Industrie- oder Lebensmittelkonzerne produzieren oft direkt vor Ort. Eine Abschaffung der Mindeststeuer würde die Zollprobleme daher nicht lösen.
Das Volk hat der OECD-Steuerreform 2023 mit deutlicher Mehrheit zugestimmt. Könnte der Bundesrat die Steuer nun doch einfach wieder abschaffen?
Ja. Die Stimmbevölkerung hat die Einführung der Steuer nur grundsätzlich gutgeheissen und den Bundesrat ermächtigt, diese per Verordnung umzusetzen. Solange das endgültige Gesetz nicht verabschiedet ist, könnte der Bundesrat die Steuer auch wieder aufheben.
Weshalb ist der Wirtschaftsdachverband «Economiesuisse» gegen eine Abschaffung der OECD-Mindeststeuer?
Weil gemäss «Economiesuisse» die Abschaffung der Steuer grosse Konzerne nicht entlasten würde. Müssten die Unternehmen nach der Abschaffung der Mindeststeuer weniger als 15 Prozent Steuern zahlen, könnten andere Staaten Niederlassungen dieser Firmen auf ihrem Territorium zusätzlich besteuern, als Kompensation. Die Unternehmen hätten also keine geringere Steuerlast. Ein Teil der Steuern würde dann aber im Ausland bezahlt, statt in der Schweiz. Auch die Denkfabrik «Avenir Suisse» warnt vor diesem Szenario.
Gibt es auch Fachleute, die anderer Meinung sind?
Ja. Manche Experten sehen Vorteile in einer Abschaffung. Sie verweisen darauf, dass die OECD-Regeln derzeit, unter Druck der USA, überarbeitet werden. Dies könnte dazu führen, dass ausländische Staaten künftig weniger Zugriff auf zu tief besteuerte Gewinne von Firmen in der Schweiz hätten.
Zudem sind die Regeln, die diesen Zugriff erlauben, juristisch umstritten und könnten von Gerichten verboten werden. Zahlreiche Staaten machen ausserdem keine Anstalten, die OECD-Reform umzusetzen. Aber viele Vertreter der Wirtschaft sagen: Solange wichtige Handelspartner wie die EU an der OECD-Mindeststeuer festhalten und diese auch anwenden wollen, bleibt auch die Schweiz besser an Bord.