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Jean-Claude Biver im Interview «Macron sollte das duale System einführen»

Jean-Claude Biver führt die Uhrensparte des französischen Konzerns LVMH. Er hat Ratschläge für den neuen Präsidenten.

Jean-Claude Biver

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Blancpain, Omega – Der 67-Jährige hat sich in der Schweizer Uhrenbranche einen Namen gemacht. Heute führt er von der Schweiz aus die Uhren- und Schmucksparte des französischen Konzerns LVMH, zu dem auch die Schweizer Marken Hublot, TAG Heuer und Zenith gehören.

SRF: Sie sind einer der wenigen Schweizer, die eine grosse Karriere bei einem französischen Konzern gemacht haben. Wo liegt der Unterschied in der Unternehmenskultur?

Jean-Claude Biver: In der Schweiz nennt man mich «Herr Biver», in Frankreich sagt man zu mir «Monsieur le Président», weil ich Präsident der Uhrendivision bin. Man hat viel Respekt vor Hierarchien, man hat noch viel von der Monarchie geerbt. In der Schweiz ist man viel lockerer.

Die französische Wirtschaft ist eigentlich ganz gut aufgestellt. Dennoch sind die Arbeitskosten ein grosses Problem. Was muss Emmanuel Macron jetzt tun, um das zu ändern?

Er muss das Arbeitsgesetz ändern. Es sind ganze Bücher, einen Meter hoch. In der Schweiz ist das Arbeitsgesetz sieben Zentimeter dick. Es ist in Frankreich kaum möglich, das Arbeitsgesetz zu kennen und auch durchzuführen. Zweitens: Macron muss die Steuern senken. Viele Franzosen gehen nach England, um ein Start-up aufzubauen. Denn der Franzose ist ja sehr kreativ.

Und er muss die Arbeitslosigkeit dringend senken, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit von 25 Prozent. Wenn Sie jetzt Macrons Wirtschaftsberater wären: Was würden Sie ihm raten?

Drei Dinge. Das Erste ist, wie erwähnt, das Arbeitsgesetz, das Zweite das Steuergesetz, und das Dritte ist die Bildung. Er müsste sich in der Bildung ein Beispiel daran nehmen, wie wir das in der Schweiz machen mit dem dualen Bildungssystem.

Er sollte also die Lehre einführen?

Ja, er sollte ein duales System einführen, damit die Jungen nach der Lehre eine Arbeit bekommen. Wir arbeiten ja mit der Industrie und der Schule zusammen. Und wir bilden nur Leute aus, die wir auch brauchen.

Frankreich ist ein wichtiger Handelspartner für die Schweiz, das viertwichtigste Exportland. Was bedeutet Emmanuel Macrons Sieg für Schweizer Exportfirmen?

Ich denke nicht viel. Es kann ja in Frankreich nicht viel schlimmer werden.

Es kann nur noch besser werden?

Ja, ich denke, es kann nur noch besser werden. Ich bin positiv gegenüber Macron. Natürlich hat er noch einiges zu tun bis zur Wahl, die jetzt in 5 Wochen kommt.

Sie meinen die Parlamentswahlen?

Ja. Wenn er dort eine Mehrheit bekommt, kann er sein Programm wirklich durchführen. Sein Programm ist ja überhaupt nicht schlecht.

Rechts und links gehört ins 18. Jahrhundert.

Man vergisst oft: 170‘000 französische Grenzgänger arbeiten in der Schweiz – mehr als aus jedem anderen Nachbarland. Sie beschäftigen auch viele Grenzgänger in Ihren Firmen. Wird sich für sie etwas ändern?

Nein. Wir beschäftigen fast ein Drittel Grenzgänger. Sie haben ein Privileg, in der Schweiz zu arbeiten, mit der Schweizer Qualität, mit der Schweizer Sicherheit und mit den Schweizer Löhnen. Als der Euro so tief gefallen ist, haben alle diese Grenzgänger von einem Tag zum anderen 20 Prozent mehr bekommen. Ich glaube nicht, dass sich für diese Leute etwas ändern wird.

Emmanuel Macron ist mit 39 unglaublich jung für einen Präsidenten. Er ist auch politisch noch nicht lange im Geschäft. Glauben Sie, dass so ein junger Präsident diese immense Verantwortung schaffen kann?

Ja, denn er ist ja nicht alleine. Man hat ja auch bei Trump gesehen, was er sagt und was er wirklich machen kann. Aber ich glaube trotzdem an die Jugend. Ich glaube an die Zukunft. Ich glaube auch an die neue Politik. Ich finde auch gut, dass er weder links noch rechts ist. Das ist vorbei, das gehört ins 18. und 19. Jahrhundert. Heute gibt es gute Ideen auf der linken Seite und gute Ideen auf der rechten Seite. Er hat Recht damit, das zusammenzubringen. Und da er nicht sehr lange in der Politik war, hat er auch nicht diese alten Gewohnheiten der Politik. Sie muss ja auch verjüngt werden, nicht nur die Firmen.

Das Interview führte Reto Lipp.

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