Zum Inhalt springen

Jens Stoltenberg am WEF Nato-Generalsekretär: «Werde Schweiz keinen Ratschlag erteilen»

Im Gespräch am WEF will Jens Stoltenberg die Schweiz nicht in die Nato drängen. Dennoch wünscht er sich eine engere Zusammenarbeit.

Das Militärbündnis Nato hat durch den Ukraine-Krieg stark an Bedeutung gewonnen. Die Schweiz ist kein Mitglied. Das sei ihre souveräne Entscheidung, sagt der Nato-Generalsekretär am World Economic Forum in Davos. Er lässt aber durchblicken, dass es noch zahlreiche Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt.

Jens Stoltenberg

Nato-Generalsekretär

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Der Norweger Jens Stoltenberg ist seit 2014 Nato-Generalsekretär. Zuvor war Stoltenberg Ministerpräsident Norwegens.

SRF News: Herr Generalsekretär, was ändert der Krieg gegen die Ukraine für die Rolle der Schweiz in Europa?

Jens Stoltenberg: Wir leben in einer Welt, die gefährlicher geworden ist. Wir haben gesehen, dass Russland bereit ist, Gewalt gegen unabhängige, souveräne Staaten anzuwenden. Es ist nicht an mir, daraus Lehren für die Schweiz zu ziehen. Für die Nato kann ich sagen, dass wir den Zusammenhalt zwischen den Mitgliedsaaten stärken konnten.

Wir setzen im Osten auf mehr Abschreckung: nicht um Konflikte zu provozieren, sondern um Konflikte zu verhindern. Solange Russland weiss, dass ein Angriff auf einen Nato-Staat ein Angriff auf die ganze Nato wäre, wird Russland nicht angreifen. Das sichert den Frieden.

Die Schweiz liegt mitten im Nato-Territorium. Manche sagen, die Schweiz sei eine Trittbrettfahrerin der Nato. Stimmen Sie dem zu?

Die Schweiz ist eine sehr geschätzte Partnerin. Wir respektieren die Neutralität der Schweiz. Es ist an der Schweiz zu entscheiden, ob sie weiter ein neutraler Staat sein will oder ob sie zur Nato kommen will. Das ist einzig und allein ein Entscheid der Schweiz.

Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck sagt, er würde sich wünschen, dass auch die Schweiz Militärgüter an die Ukraine liefert. Sehen Sie das auch so?

Ich verstehe, dass Deutschland und auch Dänemark für die Wiederausfuhr von Militärgütern auf Schweizer Zertifikate angewiesen sind und das begrüssen würden.

Wir könnten technologisch enger zusammenarbeiten.

Es geht darum, die Ukraine zu unterstützen. Die Ukraine braucht Unterstützung gegen Russland.

Sie sagen, die Schweiz soll mehr tun?

Ich sage, dass die Mitgliedstaaten der Nato und auch ihre Partner alles tun sollten, was in ihrer Macht steht, um eine Weltordnung zu verteidigen, die auf dem Recht beruht. Und ich begrüsse, wenn die Ukraine Unterstützung erhält.

In der Schweiz gibt es eine Debatte über eine engere Zusammenarbeit mit der Nato. Wie könnte die ganz konkret aussehen?

Wir würden eine engere Zusammenarbeit begrüssen. Die Schweiz unterstützt bereits die Nato-Mission im Kosovo, das begrüssen wir sehr. Wir könnten technologisch enger zusammenarbeiten, auch was die Cyber-Sicherheit betrifft, wir könnten mehr gemeinsame Übungen durchführen.

Treffen mit Viola Amherd: «Nato-Beitritt klar vom Tisch»

Box aufklappen Box zuklappen
Jens Stoltenberg und Viola Amherd geben sich die Hände.
Legende: Keystone

Verteidigungsministerin Viola Amherd hat mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Davos vereinbart, unter Berücksichtigung der Schweizer Neutralität «enger und besser» zusammenzuarbeiten. Ein Nato-Beitritt sei hingegen «klar vom Tisch».

Anlässlich des WEF sprach Bundesrätin Amherd im «House of Switzerland» mit Stoltenberg. Dabei habe sie die Bestätigung dafür erhalten, dass die Nato offen gegenüber einer engeren Zusammenarbeit mit der Schweiz sei, sagte sie im Anschluss an das Treffen im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Es sei aber auch klar geworden, dass die Schweiz die Initiative ergreifen müsse.

Es gäbe viele Bereiche – immer mit Respekt für die Neutralität und für die Entscheide der Schweiz. Darüber habe ich heute hier in Davos mit der Schweizer Verteidigungsministerin gesprochen.

Hätten Sie die Schweiz gern in der Nato?

Nein. Ich habe dazu keine Meinung. Es ist mir extrem wichtig, mich nicht in innenpolitische Debatten einzumischen. Ich habe Finnland oder Schweden nie einen Ratschlag erteilt. Ich werde der Schweiz keinen Ratschlag erteilen.

Natürlich begrüssen wir, wenn sich ein neutrales Land für die Mitgliedschaft entscheidet, aber das ist einzig und allein seine Entscheidung.

Das Gespräch führte Sebastian Ramspeck.

Interview in voller Länger

Box aufklappen Box zuklappen

Das Gespräch mit Jens Stoltenberg drehte sich, neben der Rolle der Schweiz, um die aktuelle Situation in der Ukraine. Sehen Sie im Video oben das ausführliche Interview in englischer Originalsprache.

Tagesschau, 24.05.22, 19:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel