Seitdem der Bundesrat entschieden hat, dass es nichts wird aus dem Institutionellen Rahmenabkommen mit der EU, beschäftigt Wirtschaft und Politik eine Frage: Wie weiter in den Beziehungen zur Europäischen Union?
Diese Frage umtreibt ganz besonders auch die Vertreterinnen und Vertreter der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM). Die Branche hat sich am Donnerstag in Lugano zum Industrietag getroffen und Wirtschaftsminister und Bundespräsident Guy Parmelin zur Rede gestellt.
Walter Sayer spricht dabei aus, was viele MEM-Vertreterinnen und -Vertreter hier denken. Der Chef des Präzisionsmaschinenherstellers Mikron in Agno ist immer noch enttäuscht vom Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU. «Für uns ist das Rahmenabkommen super wichtig, vor allem auch für Italien, Deutschland und so weiter.»
Wenn wieder Zölle eingeführt würden, würden die Produkte deutlich teurer werden.
«Wenn wieder Zölle und solche Dinge eingeführt würden, würden die Produkte deutlich teurer werden», glaubt Sayer. «Und wir haben wegen der Produktivitätskosten sowieso schon einen kleinen Nachteil gegenüber manchen Ländern in Europa. Das würde sich noch verstärken.»
Folgen des Abbruchs bereits spürbar
Zölle wären das eine, Schwierigkeiten bei der gegenseitigen Anerkennung von Produkten und die fehlende Forschungszusammenarbeit das andere. Die Schweizer MEM-Industrie verkauft vier Fünftel ihrer Waren ins Ausland. Eine Milliarde Franken werden im Handel mit der EU jeden Tag umgesetzt.
Eine Investition in der Schweiz wird man sehr kritisch beurteilen, wenn der Zugang zum grössten Markt nicht uneingeschränkt möglich ist.
Wenn dieser Handel über die Grenzen erschwert werde, merke das die Schweiz, betont der Präsident des Branchenverbands Swissmem, Martin Hirzel. Die Folgen des Abbruchs der Verhandlungen mit der EU seien jetzt schon spürbar. Zwar würden noch keine Jobs abgebaut deswegen.
«Aber heute wird man eine Investition in der Schweiz sehr kritisch beurteilen, wenn der Zugang zum grössten Markt, der vor der Haustüre liegt, nicht uneingeschränkt möglich ist», gibt Hirzel zu bedenken. Parmelin stellte sich den Fragen der Anwesenden. Er verstehe deren Enttäuschung, sagte er.
Der Bundesrat hat eine Güterabwägung gemacht für das ganze Land, nicht nur für gewisse Sektoren.
«Natürlich wollen wir gute Beziehungen zur EU. Wir haben mehr als 100 Verträge, die gut funktionieren.» Die Absicht des Bundesrates sei, diesen guten Kontakt zu behalten, und ihn – wo es möglich ist – zu entwickeln.
«Aber man darf nicht vergessen», so der Bundespräsident: «Der Bundesrat hat eine Güterabwägung gemacht für das ganze Land, nicht nur für gewisse Sektoren, auch wenn der MEM-Sektor sehr wichtig für die Schweiz ist.»
Andere Freihandelsverträge in Schublade
Den versammelten Vertreterinnen und Vertretern der MEM-Branche sicherte Parmelin zu, dass der Bundesrat intensiv nach Lösungen suche, er bat aber gleichzeitig um Verständnis, dass das Zeit brauche. Viele der Anwesenden scheinen trotz Verhandlungsabbruch noch an eine Lösung zu glauben.
Und sie möchten nicht nur über die EU sprechen. Die Schweiz habe auch andere Optionen. Freihandelsabkommen mit Indien, den südamerikanischen Mercosur-Staaten und den USA wären wichtig, wurde allseits betont.
Auch daran arbeite der Bundesrat, betonte der Wirtschaftsminister. Versprechen, dass es mit den zum Teil jahrzehntealten Dossiers bald vorwärts gehe, konnte er der Schweizer MEM-Industrie aber auch nicht.