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KI und Werbung Wenn der Chatbot «Kauf das!» sagt

Chatbots, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren, kennen viele unserer Ängste und Wünsche. Ideale Bedingungen, um uns mit Werbung subtil zu beeinflussen.

«Hi everyone – I have some exciting news to share», verkündete OpenAI-Chef Sam Altman im Mai in einem Blog-Post. Dann gab er bekannt, sein Unternehmen habe Fidji Simo eingestellt, die zuvor bei Facebook und Instacart milliardenschwere Werbenetzwerke aufgebaut hatte.

ChatGPT-Anbieter OpenAI wäre nicht das erste KI-Unternehmen, das Werbung in seinem KI-Chatbot platziert: Microsoft zeigt in seinem Bing-Chat jetzt schon mit einem Label gekennzeichnete Reklame; Google bestückt KI-generierte Suchantworten mit gesponserten Ergebnissen und Perplexity AI lässt auf Chat-Antworten gesponserte Fragen folgen.

In fünf Jahren von 4 auf 125 Milliarden

Kein Wunder: Die sogenannte generative KI ist in ihrer heutigen Form ein grosses Verlustgeschäft. Einnahmen durch Abonnemente oder Unternehmenslösungen stehen weit grösseren Ausgaben für Entwicklung, Training und Unterhalt gegenüber.

Die Kosten bei OpenAI zum Beispiel werden für 2024 auf rund neun Milliarden Dollar geschätzt, bei knapp vier Milliarden Umsatz. Der Betriebsverlust betrug gut fünf Milliarden.

Das Unternehmen scheint künftig aber mit besseren Zahlen zu rechnen. Die Technologie-Website «The Information» machte OpenAI-interne Voraussagen bekannt, laut denen die Einnahmen bis 2029 auf 125 Milliarden Dollar steigen sollen. Einer der wichtigsten Treiber: neue Produkte, zu denen auch Werbung gehören soll.

Gratis nur noch mit Werbung

«Free user monetization» heisst das in den entsprechenden Dokumenten: Während der Chatbot für zahlende Nutzerinnen und Nutzer werbefrei bleibt, sollen Gratis-Kundinnen und -Kunden bald Reklame sehen.

Ein Geschäftsmodell, das etwa Streaming-Plattformen wie Netflix erfolgreich umgesetzt haben. Branchenkennerinnen und -kenner gehen davon aus, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren fast alle Gratisversionen der KI-Chatbots Werbung zeigen werden.

Doch wie diese aussehen wird, ist unklar. Denn die Anbieter fürchten, das Vertrauen der Nutzenden zu verspielen, sollten hinter den Antworten einer KI Werbeabsichten vermutet werden. Denn Chatbots haben die Mittel, uns gezielt zu beeinflussen: Sie sammeln viele Daten und geniessen hohes Vertrauen – viele Leute geben ihnen sogar höchst persönliche Informationen preis.

Back doch mal die Golden Gate Bridge

Das KI-Unternehmen Anthropic hat versuchshalber demonstriert, wie ein Chatbot uns einst manipulieren könnte: Es gewichtete die Entscheidungsprozesse seines Chatbots Claude so, dass die KI immer wieder auf die Golden Gate Bridge zu sprechen kam, selbst wenn bloss nach einem Backrezept gefragt wurde.

Verteilungsdiagramm für Aktivierungsmerkmale der Golden Gate Bridge mit Beispielen und Textmarkierungen.
Legende: Anthropic hat seinen Chatbot Claude versuchshalber so manipuliert, dass er immer wieder auf die Golden Gate Bridge zu sprechen kam. Anthropic

In Zukunft lassen sich weit dystopischere Szenarien vorstellen: Während der Chatbot unsere geheimsten Ängste und Wünsche kennenlernt, dienen ihm diese Informationen für subtile Werbebotschaften. Wer nach Mitteln gegen morgendliche Müdigkeit sucht, könnte die Antwort erhalten, es mit Kaffee der Marke XY zu versuchen.

Kein Unternehmen arbeitet wohl ernsthaft an solchen Techniken. Zudem funktioniert ein KI-Chatbot nicht deterministisch; der genaue Wortlaut seiner Texte lässt sich nicht voraussagen. Das birgt die Gefahr, dass Antworten auch zum Nachteil eines Werbetreibenden ausfallen.

Werbung dürfte darum – zumindest anfangs – wohl konventionell aussehen: Anzeigen am Rand des Chatfensters, wie man sie von Facebook kennt, passend zum Inhalt der Frage.

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Rendez-vous, 25.6. 2025, 12:30 Uhr; flal; sten

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