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Klima-Entschädigung «Am besten bezahlen wir den Menschen direkt eine Kompensation»

Die Klimakrise trifft diejenigen, die sie am wenigsten verschulden, am härtesten. Viele Menschen im globalen Süden haben in der Vergangenheit kaum CO₂ ausgestossen. Sie sterben aber deutlich häufiger an den Folgen der Erderwärmung, weil sie meist in ohnehin schon warmen Ländern leben und kein Geld haben, um sich an die Hitze anzupassen.

Die reichen Länder treffe eine Schuld, die sie begleichen müssten, sagt die französisch-amerikanische Ökonomin und Wirtschafts-Nobelpreis­trägerin Esther Duflo. Und sie macht einen Vorschlag, wie diese Schuld beglichen werden könnte.

Esther Duflo

Armutsforscherin, Wirtschafts-Nobelpreisträgerin

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Esther Duflo ist gebürtige Französin, lebt aber seit über 20 Jahren in den USA. Sie lehrt am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Ihr Schwerpunkt liegt auf mikroökonomischen Themen in Entwicklungsländern, darunter das Verhalten von Haushalten oder die Bildungspolitik. 2019 hat Duflo zusammen mit zwei weiteren Forschern den Wirtschafts-Nobelpreis für den experimentellen Ansatz zur Linderung der globalen Armut erhalten. Zu diesem Zeitpunkt war sie die jüngste Wirtschafts-Nobelpreisträgerin und erst die zweite Gewinnerin in dieser Kategorie.

SRF News: Es gibt Rechnungen, die zeigen, dass bis zum Jahr 2100 sechs Millionen Menschen in Ländern des globalen Südens an den Folgen der Erderwärmung sterben werden. Sie haben die Idee, dass wir diese armen Länder dafür entschädigen sollten. Warum entschädigen?

Esther Duflo: Nun, warum nicht? Es ist eigentlich ein ziemlich gängiges Prinzip im Leben, dass derjenige zahlt, der verschmutzt. Wenn es zum Beispiel eine Ölpest gibt, muss die Ölfirma für die Beseitigung des Schadens aufkommen. Das ist dasselbe Prinzip.

Ich unterstütze den Vorschlag einer Milliardärssteuer.

Sie haben eine Zahl berechnet: 1.7 Billionen Dollar pro Jahr müssten die reichen (OECD-)Länder den ärmeren Ländern als Kompensation bezahlen. Wie sind Sie auf diese Zahl gekommen?

Die Zahl ist sozusagen ein Dollarwert für die zusätzlichen Todesfälle, die alle Emissionen der OECD-Länder den Nicht-OECD-Ländern auferlegen. Nach unseren Rechnungen beläuft sich dieser Wert auf etwa 100 Dollar pro Tonne CO₂. Multipliziert mit dem CO₂-Ausstoss der OECD-Länder kommen wir auf die 1.7 Billionen Dollar.

Wie wollen Sie dieses Geld aufbringen?

Ich unterstütze den Vorschlag einer Milliardärssteuer, der bereits am letzten G20-Treffen in Brasilien diskutiert wurde. Die Idee ist, dass die 3000 reichsten Menschen der Welt mindestens zwei Prozent Steuern entrichten müssten auf die Einkünfte aus ihren Vermögen. Kombiniert mit einer Mindeststeuer für multinationale Unternehmen kämen die 1.7 Billionen zusammen.

Der UNO-Prozess ist nicht zweckmässig.

Was stimmt Sie optimistisch, dass dies politisch umsetzbar ist? In den UNO-Klimaverhandlungen stossen viel kleinere Beträge schon auf grossen Widerstand.

Der UNO-Prozess ist nicht zweckmässig. Es ist dort schwierig, das Geld zu beschaffen, aber auch, es auszugeben, weil die Fonds so bürokratisch und oft in Konflikte mit den Empfängerländern verstrickt sind, sodass nichts passiert. Mein Vorschlag ist, dass das Geld direkt an die Menschen in armen Ländern geht.

Warum ist das aus Ihrer Sicht sinnvoller als mit dem Geld Projekte zu finanzieren, von denen viele Menschen profitieren?

Unsere Forschung zeigt, dass Geld so produktiv ist, weil die Menschen zum Beispiel entscheiden können, einen Tag nicht zu arbeiten, wenn es sehr heiss ist. Und, wenn sie Geld haben, um nicht zu arbeiten, können sie sicherstellen, dass sie weiterhin ihre Stromrechnung bezahlen können.

Es ist kein Sprint, sondern ein Marathon.

Wo steht Ihr Vorschlag heute?

Nun, er ist sozusagen unterwegs. Ich habe einen Bericht für den Beirat der diesjährigen UNO-Klimakonferenz in Brasilien geschrieben. Das nimmt also seinen Lauf. Aber klar: Es ist kein Sprint, sondern ein Marathon.

Das Gespräch führte Klaus Ammann.

Echo der Zeit, 27.08.2025, 18 Uhr ; 

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