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Köpferollen bei Raiffeisen «Es fehlte wohl an der Distanz zu Pierin Vincenz»

Tabula rasa im Verwaltungsrat der Raiffeisen: Der einzig richtige Entscheid, sagt Rechtsprofessorin Monika Roth.

Es sind und es bleiben turbulente Zeiten bei der Raiffeisen-Bank. Der ehemalige CEO Pierin Vincenz sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft. Jetzt wird praktisch der gesamte Verwaltungsrat ausgewechselt. Neun von elf Mitgliedern sollen bis 2020 ersetzt werden, wie die Bank mitteilt. Monika Roth, Rechtsprofessorin an der Hochschule Luzern, hält den Entscheid für richtig.

Monika Roth

Rechtsprofessorin, Hochschule Luzern

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Monika Roth ist Rechtsprofessorin an der Hochschule Luzern. Sie ist spezialisiert auf Corporate Governance, Finanzmarktrecht und Wirtschaftsstrafrecht.

SRF News: Wie aussergewöhnlich ist eine solche Erneuerung, wie sie jetzt bei Raiffeisen stattfindet?

Monika Roth: Angesichts der Krise, die bei Raiffeisen bezüglich dieses Gremiums ganz sicher besteht, ist es nicht aussergewöhnlich. Aussergewöhnlich ist die ganze Situation. Meines Erachtens ist es die einzig richtige Konsequenz, die allerdings zeitlich recht weit hinausgezögert wird.

Ich glaube, man hat Vincenz einfach laufen lassen – und das ist eine Frage der Persönlichkeiten.
Autor: Monika Roth Rechtsprofessorin an der Hochschule Luzern

Und es fehlte wohl an einem richtigen Kontrollverständnis. Kontrollen müssen immer vertrauensunabhängig erfolgen. Ich glaube, man hat Vincenz einfach laufen lassen – und das ist eine Frage der Persönlichkeiten.

Was braucht es im Verwaltungsrat der Raiffeisen: Mehr Banken-Know-how oder mehr Leute, die wissen, wie ein Unternehmen geführt werden muss – Stichwort Corporate Governance?

Von meiner Kenntnisstand aus war bei Raiffeisen die Frage des Wissens allein gar nicht ausschlaggebend für das Versagen. Für mich geht es um die Frage der Persönlichkeiten, der Konfliktfähigkeit und des richtigen Verständnisses der Aufsichtsfunktion.

Ein Verwaltungsrat ist ein Aufsichtsorgan im Betrieb. Ich würde es so generell nicht unterschreiben, dass das Know-how nicht ausreichend war. Es hat wohl an der Distanz zu Pierin Vincenz gefehlt.

Sind Sie überrascht, dass fast der ganze Verwaltungsrat ausgewechselt wird, gleichzeitig aber der CEO Patrik Gisel auf seinem Posten bleiben darf?

Nach dem Gang der Dinge überrascht mich das nicht. Bei Gisel ist schwierig zu sagen, was er wirklich gewusst hat oder inwiefern er es nicht wissen wollte. Die Frage wird sein, was das Aufsichtsverfahren der Finma gegen den Konzern noch ergeben wird. Zudem muss im derzeitigen Aufruhr auch eine gewisse Konstanz herrschen. Die Rolle von Herrn Gisel ist noch nicht abschliessend geklärt. Ich habe ein gewisses Verständnis, dass man derzeit noch an ihm festhält. Es ist auch nicht in Stein gemeisselt, dass das so bleiben wird.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

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