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Konjunkturprognose «Krise ist fast zum Modewort geworden»

Der Winter wird vielleicht hart. Doch die Wirtschaft wird weniger leiden als unter Corona oder der Finanzkrise. Da ist sich Wirtschaftsprofessor Jan-Egbert Sturm ziemlich sicher.

Die Zuversicht ist gewichen – auch bei der KOF, der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Die Inflation hat die Spitze noch nicht erreicht. Die Energiepreise verharren bestenfalls auf hohem Niveau. Das Sommerhoch der Prognosen weicht dem Herbstnebel. Im Winterhalbjahr wird die Wirtschaft wohl gar nicht mehr wachsen.

Jan-Egbert Sturm

Wirtschaftswissenschafter

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Jan-Egbert Sturm leitet die Konjunkturforschungsstelle an der ETH Zürich. Er ist spezialisiert auf die Forschungsgebiete Makroökonomie, Monetäre Ökonomie und Politische Ökonomie.

Von Krise sprechen will der Leiter der KOF, Jan-Egbert Sturm, aber nicht: «Krise ist schon fast zum Modewort geworden. Wenn ich meine Brille als Ökonom aufsetze, kann ich mir immer noch nicht vorstellen, dass dieser Winter für die Wirtschaft so schlimm sein wird, wie die erste Pandemiewelle oder die Finanzkrise. Davon sind wir immer noch weit entfernt.»

Keinen Notstand ausrufen

Es ist die Aufgabe der Politik, mit dem Schreckgespenst der Krise zu warnen. Die Stimmung ist düster in der Bevölkerung – wir ändern unser Verhalten. Und genau damit werde die drohende Krise verhindert, sagt Jan-Egbert Sturm.

Einen Notstand auszurufen, wenn keiner existiert, untergräbt die Glaubwürdigkeit.
Autor: Jan-Egbert Sturm Wirtschaftsprofessor

Die Forderung der Kantone an den Bundesrat, jetzt einen Notstand auszurufen, taxiert Sturm als schwierig: «Einen Notstand auszurufen, wenn keiner existiert, untergräbt die Glaubwürdigkeit. Was ist, wenn wir im März feststellen, dass es kein Notstand war? Das ist dann schwierig zu verkaufen», sagt Sturm.

Auch die Preise sollte man nicht deckeln, sagt der Konjunkturforscher. Wenn die Preise steigen, dann werde weniger von einem Produkt oder einer Dienstleistung gekauft. «Die Konsumenten suchen sich Alternativen.» Und das sei genau der Mechanismus, den wir jetzt bräuchten, so Sturm: «Wenn die Preise nicht steigen dürfen, wie soll ich als Konsument oder Produzent mein Verhalten ändern?»

Härtefälle, Einkommensstützen oder Gewinnbesteuerung?

Für den Wirtschaftswissenschaftler stellt sich die Frage: Wie sind die Firmen aufgestellt? Waren sie zuvor bereits am Anschlag? Oder haben Firmen ohne eigenes Verschulden Probleme bekommen? In diesem Fall seien Kredite oder Kurzarbeit gute Mittel, um zu helfen, so Sturm. Er glaubt, dass diese wieder eingesetzt werden.

Die hohen Preise können viele Menschen in die Armut treiben. Dies zu verhindern, ist auch ein Anliegen politischer Vorstösse. «Es ist wichtig, die Einkommensseite zu verbessern und nicht an den Preisen zu schrauben.» So könnte sich der KOF-Leiter weitere Prämienverbilligungen oder auch einen temporären Steuererlass vorstellen.

Aktuelle Kaufkraft-Debatte im Nationalrat

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Der Nationalrat debattierte an einer «ausserordentlichen Session» Massnahmen zum Erhalt der Kaufkraft. Es ging um steigende Energiepreise, den Prämienschock und die Teuerung. Der Nationalrat einigte sich, dass AHV-Rentnerinnen und Rentner im kommenden Jahr den vollen Teuerungsausgleich erhalten sollen. Ausserdem befürwortete der Rat, den Beitrag des Bundes an die Prämienverbilligungen um 30 Prozent zu erhöhen. Zur ganzen Debatte gelangen Sie hier .

«Glückspilze» zur Kasse zu bitten, sei nicht einfach, sagt der Ökonom. Wie könnte ein Krisengewinn von einem normalen Gewinn unterschieden werden? Zudem bräuchten Firmen Anreize, neue Geschäftsfelder zu erschliessen.

«Während Corona konnten Maskenhersteller profitieren. So haben auch andere Firmen Masken produziert. Mit dem Preisanstieg haben wir ein Problem gelöst und genügend Masken erhalten», sagt Sturm. So ist es auch jetzt. Hohe Energiepreise senken den Konsum und steigern die Attraktivität, in Alternativen zu investieren.

Rendez-vous, 21.09.2022, 12:30 Uhr

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