Aufschlussreich ist die Art und Weise, wie die Schweizer Unternehmen in Russland kommunizieren – und zwar gegenüber den Angestellten und Kunden vor Ort. Radio SRF wollte konkret von den grossen Konzernen wissen, ob sie in Russland die russische Sprachregelung übernehmen und von «Militäroperation» sprechen oder von «Krieg».
Der Industriekonzern OC Oerlikon etwa bezieht klar Stellung. Michael Süss, Verwaltungsratspräsident, schreibt auf der Internetplattform LinkedIn: «Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf die Ukraine ist ein dramatisches Ereignis (…)» und weiter: «Die langfristigen wirtschaftlichen Folgen dieses vom russischen Regime initiierten Krieges sind derzeit noch gar nicht abzuschätzen.»
Klare Worte? Nicht von allen
Dass gerade OC Oerlikon so klare Worte wählt, mag erstaunen. Das Unternehmen wird vom russischen Oligarchen Viktor Vekselberg kontrolliert. Viele Firmen allerdings wollen sich zur Kriegsfrage nicht äussern: zum Beispiel ABB, Clariant, Rolex oder Swatch.
Für Adrienne Suvada, Dozentin für Unternehmenskommunikation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, zeigt dies vor allem eines: «Wir wissen alle nicht, wie sich das weiterentwickelt. Man versucht, nicht alle Brücken abzubrechen, sondern sich einen Fuss in der Türe beizubehalten. Das ist die Strategie, die die Unternehmen bei uns auch fahren.»
Die Firmen versuchen, nicht alle Brücken abzubrechen.
Die Schweizer Unternehmen versuchen also einen Spagat: Russland nicht komplett verärgern, aber gleichzeitig auf öffentliche Kritik reagieren, indem sie nun die Geschäftsbeziehungen vorübergehend unterbrechen.
«Man vermeidet natürlich gerade in so hitzigen Zeiten, dass man sich falsch positioniert. Das ist schon seit einigen Jahren zu beobachten. Man schlägt sich ein bisschen auf die Seite des geringsten Widerstands. Man will möglichst vermeiden, dass man bei den Medien oder in der Presse schlecht ankommt», so Suvada.
Gleichzeitig ist es für die meisten Unternehmen auch wirtschaftlich verkraftbar, auf das Russland-Geschäft zu verzichten. In der Regel erzielen sie nur 1 bis maximal 3 Prozent ihres Umsatzes in Russland.
Roche und Nestlé bleiben in Russland
Gleichwohl gibt es auch etliche Unternehmen, die ganz bewusst an Russland festhalten. Roche etwa und Nestlé. Beide Konzerne stellen sich auf den Standpunkt, dass sie die russische Bevölkerung mit wichtigen Gütern des täglichen Bedarfs versorgten – Roche mit Medikamenten, Nestlé mit Lebensmitteln.
An einer solchen Strategie festzuhalten, ist in der aktuellen Situation nicht einfach, so Adrienne Suvada: «Es braucht Mut, Widerstandskraft und eine klare Kommunikationslinie und -strategie.»
Hinzu kommt, dass sich diese Unternehmen auch gewohnt sind, mit öffentlicher Kritik umzugehen. Gleichzeitig sind es aber auch Unternehmen mit Gewicht. Deshalb kann es sich Nestlé leisten, auch in Russland gegenüber den 7000 russischen Angestellten den Krieg und die Invasion zu erwähnen.