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Krise im Biomarkt   «Es braucht einen Weg zwischen Bio- und konventionellem Anbau»

Die Kosten für Bioprodukte kämen an ihre Grenzen, sagt Bio-Experte Urs Niggli. Er plädiert für einen Mittelweg und günstiger produzierte, ökologische Lebensmittel.

Urs Niggli

Leiter Institut für Agrarökologie

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Urs Niggli war 30 Jahre lang Leiter des Forschungsinstituts für biologische Landwirtschaft (Fibl). Er gilt international als Experte für Ernährungsfragen und Ernährungssicherheit. Er hat auch als Experte die UNO-Ernährungskonferenz 2021 begleitet. Heute leitet er das Institut für Agrarökologie.

SRF News: Bioprodukte in der Schweiz sind in der Regel 50 Prozent teurer als konventionell produzierte Lebensmittel. Ist das zu teuer?

Urs Niggli: Die konventionellen Lebensmittel sind einfach zu billig. Sie repräsentieren nicht die echten Kosten, zum Beispiel auch jene der Umweltverschmutzung. Von daher hätte ich bis heute gesagt, dass die Kosten nicht zu hoch sind. Allerdings sehen wir mittlerweile, dass die Konsumentinnen und Konsumenten schon sehr sensibel sind, was Lebensmittelpreise anbelangt.

Durch die Teuerung sind Lebensmittel im europäischen Ausland deutlich teurer geworden. Das betrifft auch den Biomarkt.

In Deutschland ist der Markt klar rückläufig, in Frankreich ebenfalls sehr stark. In anderen Ländern sehen wir eine eigentliche Krise. Das ist eine neue Erfahrung im Biomarkt. Offenbar haben Bioprodukte, was Preise anbelangt, nicht ein uneingeschränktes Potenzial.

Und steigen die Preise für Bioprodukte, dürften sie in armen Ländern einen noch schwereren Stand haben?

Weltweit sind nur 2.2 Prozent der Gesamtfläche in der Landwirtschaft biologisch zertifiziert. Entsprechend gilt der Biolandbau als etwas, was vor allem für die reicheren Länder eine Option ist.

Wie aber sollen so die Nachhaltigkeitsziele der UNO beim Anbau von Lebensmitteln erreicht werden ?

Es braucht einen Mittelweg zwischen Bio- und konventionell angebauten Lebensmitteln. In der Agrarökologie hat die Ausrichtung auf die Nachhaltigkeit erste Priorität. Bezüglich der Wahl der Technologien rund um den Pflanzenschutz, welche Sorten man einsetzt, ist man viel freier. Auch in der Frage, ob irgendwann einmal über Gentechnik nachgedacht wird.

Welche Rolle spielt da die Schweiz?

Wir haben die Tradition, bäuerliches Wissen zu nutzen, um gute Landwirtschaft zu machen. Auf der anderen Seite haben wir Hightech-Forschung. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass die Schweiz sich da engagiert. So ist ein Pilotprojekt geplant, das breit abgestützt ist, mit Fachleuten aus dem Biolandbau, dem Bauernverband und dem Forschungsinstitut Agroscope. Und auch die Konsumentinnen und Konsumenten sollen breit befragt werden.

Das Gespräch führte Dario Pelosi.

Komplizierter Handel mit Bio-Lebensmitteln

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Damit Bio-Lebensmittel aus Sri Lanka oder Ghana in Schweizer Läden landen, braucht es Lebensmittelimporteure. Solche Import-Unternehmen kaufen im Ausland ein und beliefern dann zum Beispiel Detailriesen wie Coop und Migros oder kleinere Bio-Läden.

Dabei macht die Zertifizierung den Bio-Handel anspruchsvoller als mit konventionellen Lebensmitteln. Ein Beispiel: Wenn Schiffe mit Bio-Gewürzen zu früh aus dem Hafen fahren, ohne Bio-Bescheinigungen, dann gilt die Ware automatisch nicht als Bio, selbst wenn sie biologisch produziert wurde. Auch wenn die Papiere ein paar Tage später nachgereicht werden, kann die verschiffte Ware dann nicht mehr als Bio gehandelt werden. Das erklärt Pascal Schwarz von Your Harvest, einem Lebensmittelimporteur, der unter anderem Coop und Migros mit Haselnüssen und Trockenfrüchten beliefert. Während der Corona-Pandemie seien die Zertifizierungsstellen manchmal auch nicht nachgekommen, all die zusätzlichen Bio-Produkte zu zertifizieren, die wegen des Biobooms nachgefragt wurden.

Das heisst aber nicht, dass sich der Handel mit Bio-Produkten nicht lohne. Man müsse einfach sehr gut organisiert sein und seine Handelspartner und die Zertifizierungsstellen gut kennen.

Echo der Zeit, 09.01.2023, 18:00 Uhr ; 

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