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Krise im Maschinenbau Die Schweizer Maschinenindustrie hat die Schmerzgrenze erreicht

Der Kampf gegen die Konjunktur und die Trumpschen Zölle am Beispiel der Schleifmaschinenfabrik Agathon.

Es scheint ein ganz normaler Arbeitstag zu sein beim Schleif­maschinen­hersteller Agathon im solothurnischen Bellach. Doch der Eindruck täuscht. Nicht alle Montagelinien sind voll ausgelastet, denn die Auftragsbücher sind alles andere als voll. Seit über 12 Monaten arbeiten fast 30 Prozent der über 200 Angestellten in Kurzarbeit.

«Wir brauchen die Kurzarbeit – wie auch andere Unternehmen im Maschinenbau in der Schweiz – um das Know-how und die Mitarbeitenden halten zu können, aus wirtschaftlichen, aber auch aus sozialen Gründen», sagt Agathon-Chef Michael Merkle.

Keine konjunkturelle Besserung in Sicht

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Erst kürzlich hat die EU-Kommission die Wachstumsprognose für das laufende Jahr deutlich gesenkt. Für Deutschland sagt die Kommission mit 0.0 Prozent sogar eine Stagnation voraus. Für die Maschinenindustrie sind das keine guten Nachrichten vom wichtigsten Handelspartner.

Im ersten Quartal sanken die Umsätze der Tech-Industrie denn auch im Vergleich zum Vorjahresquartal um 3 Prozent. Der Branchenverband Swissmem spricht von einem enttäuschenden Geschäftsgang. Ein weiterer Einbruch sei nicht auszuschliessen.

Bei Agathon arbeiten hoch spezialisierte Arbeitskräfte: Ingenieure, Mathematiker oder Polymechaniker. Sie sind das Kapital der Firma. Die Rekrutierung solcher Fachkräfte sei eine enorme Herausforderung, sagt Merkle. Die Angestellten zu halten, geniesse deshalb oberste Priorität.

Zolldrohung von US-Präsident Trump

Neben der Kurzarbeit ächzt die Branche unter dem Zollstreit mit den USA. 15 Prozent der gesamten Produktion exportiert die Firma in die Vereinigten Staaten. US-Kunden hätten seit der Ankündigung der Zölle im April praktisch alle Aufträge auf Eis gelegt, sagt Merkle. «Die angekündigten 32 Prozent Zoll würden unsere Preise zu sehr erhöhen. Wenn wir über die derzeitigen zehn plus vier Prozent – das sind die Zölle, die auf unseren Maschinen grundsätzlich erhoben werden – sprechen, dann ist dies haarscharf an der Schmerzgrenze. Vielleicht würde der Kunde dies noch tragen.»

Ein blonde Mann mit Brille und Bart neben einem Bildschirm
Legende: Michael Merkle ist der Chef der Schleifmaschinenfabrik Agathon in Bellach. SRF/Sven Zaugg

Dazu kommt, dass sich Käufer bei teuren Investitionsgütern zurückhalten, weil die Konjunktur lahmt. Und die wichtigsten Indikatoren deuten nicht darauf hin, dass sich dies in den nächsten Monaten ändern wird.

Kurzarbeitsentschädigungen weiter bezahlen

Die konjunkturelle Baisse in der Schweizer Tech-Industrie dauert nun schon seit zwei Jahren an. Weil noch nicht absehbar ist, wann der Aufschwung einsetzen wird, fordert der Branchenverband deshalb, die maximale Bezugsdauer der Kurzarbeitsentschädigung von heute 18 auf 24 Monate auszudehnen. Die Chancen dafür stehen gut.

Agathon-Chef Merkle sagt: «Wir benötigen die Verlängerung der Kurzarbeit, um eine Planungssicherheit zu gewähren, sowohl fürs Unternehmen als auch für die Mitarbeiter.»

Gleichzeitig hofft er, dass wieder Bewegung in den europäischen Absatzmarkt kommt. Er ist mit rund 60 Prozent der wichtigste Markt für Agathon. «Wir hoffen, dass die Massnahmen der deutschen Regierung ziehen. Aber es werden Effekte sein, die wir erst 2026 spüren.» Die neue deutsche Regierung will mit einem 500-Milliarden-Euro-Investitionspaket in die Infrastruktur die Wirtschaft ankurbeln.

Maschinenteile auf einem Förderband
Legende: Die Maschinenindustrie steckt seit längerem in der Krise. (Symbolbild) Keystone/Rick Osentoski

«Daher ist es wichtig, dass wir als Schweiz mit von dieser Partie sind, dass wir unser Verhältnis zur EU klären und auch die bilateralen Verträge unter Dach und Fach bekommen», so Merkle.

USA noch nicht ganz abgeschrieben

Merkle betont derweil, man wolle die USA noch nicht ganz abschreiben. Doch: «Wenn die Zölle in den USA so hoch bleiben, dann werden wahrscheinlich die Produkte, die heute aus den USA exportiert werden, nicht mehr in den USA gefertigt werden. Es wird wahrscheinlich eine Verschiebung nach Europa oder Fernost geben.»

Auf diese Verschiebung der Märkte bereitet sich Agathon stellvertretend für die Branche minutiös vor. Die Strategie ist klar: die USA nicht komplett abschreiben, parat sein, wenn die Wirtschaft in Europa wieder anzieht und schnell Märkte in Fernost erschliessen.

Echo der Zeit, 05.06.2025, 18 Uhr

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