Darum geht es: Immer mehr Jobsuchende verwenden KI. Bei mehr als der Hälfte der Bewerbungen sind entsprechende Anwendungen im Spiel, sagen HR-Experten. Tendenz steigend. «Vor allem zur Optimierung des Lebenslaufs, des Motivationsschreibens oder auch, um das Bewerbungsbild zu optimieren, wird KI verwendet», sagt Personalberater Samir Hertig von Robert Walters.
Mit KI-Bewerbungen steigt die Wahrscheinlichkeit, zum Interview eingeladen zu werden.
Der Vorteil von KI auf Jobsuche: Die Bewerbungen sind fehlerfrei und besser geschrieben, es entsteht ein makelloser erster Eindruck, auch dabei, professionelle Fotos zu erstellen. Matthias Mölleney, Personalmanagement-Dozent an der HWZ (Hochschule für Wirtschaft Zürich) beschreibt das so: «Mit KI bei Bewerbungen steigt die Wahrscheinlichkeit, zum Interview eingeladen zu werden.» Das könne aber schnell auch zum Bumerang werden.
Der Nachteil von KI auf Jobsuche: «Wenn im Interview in den ersten Minuten auffällt, dass die Bewerbung ganz sicher nicht selber geschrieben ist, und dass die Bewerbenden ganz anders sind, als dargestellt, dann ist der Bewerbungsprozess an der Stelle zu Ende», so Mölleney. Personalberater Hertig ergänzt: «Auffallend viel KI wirkt unecht und weckt Misstrauen.» Unternehmen würden die gesamte Bewerbung hinterfragen, selbst wenn Lebenslauf und Anschreiben überzeugend seien.
Bewerbungen mit echten Fotos – auch wenn sie nicht perfekt sind – erzeugen mehr Vertrauen als makellose KI-Bilder.
Viele HR-Verantwortliche würden Authentizität bevorzugen – und würden etwa KI-Fotos mittlerweile recht zuverlässig erkennen. «Bewerbungen mit echten Fotos – auch wenn sie nicht perfekt sind – erzeugen mehr Vertrauen als makellose KI-Bilder», ergänzt Hertig.
Wo KI im Jobprozess zum Betrug wird: Laut Personalberater Hertig gibt es zunehmend Fälle von Fälschungen. «Leute, die Inhalte ihres eigenen Lebenslaufs fälschen und Kenntnisse und Erfahrungen vortäuschen.» Damit werde eine rote Linie überschritten. Auch Bewerbende selbst können zum Opfer werden. «Es gibt immer wieder Fälle von Identitätsklau, also Personen, die sich als jemanden anderen ausgeben und beispielsweise das Linkedin-Profil kapern.» In den USA seien auch Deepfake-Fälle bekannt. «Virtuelle Avatare erscheinen zu einem Job-Interview und beantworten Fragen.» Vor allem bei Remote-Jobs ohne persönliche Anwesenheitspflicht, sei das schon vorgekommen.
Auch Unternehmen benutzen KI: «ChatGPT verwenden, um Stelleninserate attraktiver zu schreiben, das ist heute schon fast Standard – bei grossen und kleinen Unternehmen», sagt Hochschul-Dozent Mölleney. Grosse Unternehmen benutzten KI aber auch immer öfter bei der Auswahl von Kandidatinnen und Kandidaten.
Was können Bewerbende beachten: Der Grat zwischen Optimierung und Fälschung ist schmal. «Es spricht nichts gegen Optimierung, solange diese wahrheitsgetreu ist», sagt Hertig. «Ich empfehle Bewerberinnen und Bewerbern grundsätzlich, KI zu nutzen, sollte dies nicht explizit verboten sein.» Es gehe darum, die Tools punktuell einzusetzen. «Man sollte aber darauf achten, dass die Bewerbungsunterlagen weiterhin authentisch bleiben und dass man weiterhin alles auch selbst prüft.»
Das sind die Folgen des KI-Trends bei Bewerbungen: Dozent Mölleney und Personalberater Hertig sind überzeugt, dass mit dem wachsenden KI-Trend Online-Assessments an Bedeutung verlieren. «Das persönliche Vorstellungsgespräch wird wieder wichtiger.»