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Kurzfristiges Kursdoping Rückkaufprogramme halten Aktionäre bei Laune

Derzeit kaufen Schweizer Firmen Aktien in Wert von 40 Milliarden Franken zurück. Doch wie sinnvoll ist das langfristig?

Aktienrückkäufe sind eine Art Doping für den Aktienkurs – denn Firmen verknappen damit die Zahl der Aktien an der Börse. Die Unternehmen verteilen damit den Gewinn auf weniger Anteilscheine und der Gewinn pro Aktie steigt. Das macht die Firma für Investoren attraktiver und oft steigt der Kurs.

Rückkäufe seien ein Phänomen, das sich besonders in Zeiten guter Konjunktur zeige, sagt Sven Bucher, Chefanalyst der Zürcher Kantonalbank: «Die Wirtschaft ist in der Vergangenheit stark gewachsen und Unternehmen haben Gewinne geschrieben.» Die Rückkäufe seien das Resultat dieser Entwicklung.

Anstelle von Investitionen

Die Unternehmen haben also viel Kapital auf der Seite. Das widerspiegeln auch die Zahlen: Der Rückversicherer Swiss Re kauft eigene Aktien im Wert von einer Milliarde Franken. Bei der Credit Suisse läuft ein Programm über 1.5 Milliarden. Und Nestlé will bis 2020 Aktien im Wert von 20 Milliarden Franken erwerben.

Apple in den USA an der Spitze

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Eingang zu einem Apple-Store.

In der Schweiz haben 2018 laut der Bank Vontobel 24 Schweizer Unternehmen eigene Anteilscheine gekauft. Zwischen 2010 bis 2017 waren es jeweils zwischen 8 und 16 Firmen pro Jahr. Derzeit laufen Rückkaufprogramme in der Höhe von 40 Milliarden Franken.

Auch in Deutschland haben die Aktienrückkäufe zugenommen. Letztes Jahr haben deutsche Firmen eigene Aktien im Wert von knapp zehn Milliarden Euro gekauft. Das ist so viel wie zuletzt vor der Finanzkrise.

Spitzenreiter sind die USA. 2018 haben die 500 grössten US-Firmen laut dem Wirtschaftsmagazin Bloomberg 700 Milliarden Dollar für eigene Aktien ausgegeben – so viel wie noch nie. Apple allein hat zum Beispiel eigene Aktien im Wert von 70 Milliarden Dollar zurückgekauft.

In den USA formiert sich allerdings Widerstand. Ex-Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders und der Fraktionsschef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, kündigten eine Gesetzesinitiative an. Es bleibe zu wenig Geld für Investitionen und Lohnerhöhungen, wenn Firmen Gewinne in dem Ausmass für Dividenden und Rückkäufe verwendeten.

Kritiker monieren, Aktienrückkäufe würden die Kurse künstlich in die Höhe treiben und seien für die Entwicklung des Unternehmens nicht förderlich. Das überschüssige Geld solle in neue Ideen, Werke oder in Firmenübernahmen investiert werden, um das Geschäft weiterzuentwickeln und Arbeitsplätze zu sichern. Investitionen machten aber nicht in jedem Fall Sinn, sagt Bucher.

«Es kann sein, dass die Firma keine Investitionsmöglichkeiten sieht, oder Akquisitionen sind ihr zu teuer. Dann gibt sie das Geld den Aktionären.» Dies zumindest indirekt, denn anders als bei Dividenden erhalten die Aktionäre bei einem Rückkauf kein Geld, sie profitieren vielmehr von einem höheren Kurs.

Langfristig kaum Auswirkungen

Diese Art des Börsendopings zeigt auf Dauer aber nur sehr begrenzt Wirkung. Viel wichtiger für eine solide Bewertung seien grundlegende Fragen zum Unternehmen, sagt Analyst Bucher. Wie das Unternehmen dastehe, wie der Geschäftsgang sei und wie sich die Marge entwickle, all das sei längerfristig wichtiger als ein Aktienrückkauf.

Die aktuelle Rückkaufswelle lässt also auch den Schluss zu: Den Unternehmen gehen die Ideen aus. Sie sehen keine bessere Alternative, als das viele Geld den Aktionären zurückzugeben. Zumindest kurzfristig scheinen die Firmen sie mit den riesigen Rückkaufaktionen bei Laune halten zu können.

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