Gastronom Dirk Hany hat ein Problem. In seiner Zürcher «Bar am Wasser» trinken die Gäste gerne Champagner. Aber die passenden Gläser sind derzeit rar. «Es kann sein, dass wir zwei bis drei Monate auf eine Lieferung warten müssen», sagt er. «Das ist für uns recht prekär, weil wir sehr viel Champagner verkaufen, und die Gäste erwarten auch ein schönes Glas, wenn sie Champagner bestellen.»
Dirk Hany beginnt zu spüren, was sich im Hintergrund zusammenbraut. In der Glas-Branche herrschen erhebliche Lieferschwierigkeiten. Das österreichische Unternehmen Riedel etwa braucht «sechs bis acht Wochen länger als normal», um Gläser auszuliefern. Das sagt dessen Vertriebsverantwortlicher für den deutschsprachigen Raum, Christian Kraus. Zu Riedel gehören auch die deutschen Marken Spiegelau und Nachtmann.
Lieferfristen bis sechs Monate
Eine andere grosse Glashütte, Zwiesel aus Deutschland, schreibt: «Bei der Beschaffung von energieintensiven Materialien zeichnen sich bereits jetzt Versorgungsengpässe ab», fügt aber hinzu: Bisher könne man aber noch alle Lieferverpflichtungen erfüllen.
Das kann Fredy Angst nicht bestätigen. Er betreibt mit «b & n» ein Unternehmen für Gastronomie-Bedarf in Zürich. Die erwähnten Marken hat er im Angebot und sagt: «Alle Gläser, die hier stehen, haben Lieferspannen von einem bis sechs Monaten. Das ist zurzeit einfach die Normalität.» Ein türkisches Glas etwa sei gar erst im Sommer 2023 wieder lieferbar.
Aus einem Nachfrage- ist ein Angebotsmarkt geworden. Es sind mehrere Gründe, die dazu geführt haben:
- Nach den Corona-Lockdowns hat die Nachfrage aus der Gastronomie schnell wieder sehr stark angezogen.
- Gleichzeitig haben während der Lockdowns Privatkunden hochwertige Gläser für sich entdeckt. Man hatte weniger Freizeit-Programm und konnte sich mit der eigenen Einrichtung beschäftigen.
- Die weltweite Logistik ist gestört. Lieferketten funktionieren nicht mehr wie zuvor, Container sind kontingentiert, LKW-Fahrer fehlen.
Laut Fredy Angst sind Aufträge ausserdem von Asien nach Europa verlegt worden und binden zusätzliche Kapazitäten.
Auch produzierten nicht alle Glashütten auf Voll-Last. Dies, weil die gestiegenen Gas-Preise ihre Kosten so sehr erhöht hätten, dass sich das nicht mehr alle leisten könnten. Christian Kraus von Riedel sagt, die Gas-Kosten seien seit Februar um das Dreieinhalbfache gestiegen.
Besonders betroffen sind die Glas-Künstler aus Murano bei Venedig, die wegen der Energiekosten ums Überleben kämpfen.
Mehrmalige Preiserhöhungen
Die Gas-Kosten sind das Problem, das die befragten Glashütten als derzeitiges Hauptproblem anführen. Zwiesel kündigt zum 1. Januar eine Preiserhöhung an. Andere Hersteller haben die Preise im Laufe dieses Jahres schon mehrmals erhöht.
Für Bar-Betreiber Dirk Hany heisst das: Er zahlt schon heute 20 Prozent mehr für ein Glas als vor einem Jahr. Die Mehrkosten werden demnächst auch seine Gäste spüren.