Am Dienstag hat der Nationalrat eine von Frauenorganisationen längst geforderte Massnahme beschlossen: Im Rahmen der Revision des Mehrwertsteuergesetzes sollen neu Tampons und Damenbinden nur noch mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 2.5 Prozent besteuert werden.
Produkte der Monatshygiene wurden bisher zum normalen Mehrwertsteuersatz von 7.7 Prozent versteuert. Noch ist die definitive Zustimmung des Ständerats ausstehend. Doch nicht nur die hohe Mehrwertbesteuerung auf Tampons sorgt für Diskussionsstoff.
Kuriose Mehrwertsteuern
Wer WC-Papier kauft, bezahlt eine Mehrwertsteuer von 7.7 Prozent. Für den Kauf von Hundefutter oder von Pflanzen, Schnittblumen oder Blumensträussen gilt jedoch nur der reduzierte Satz von 2.5 Prozent.
Für die Konsumation im Restaurant bezahlt der Gast 7.7 Prozent Mehrwertsteuer, für das Essen zum Mitnehmen hingegen zahlt der Kunde nur den reduzierten Satz von 2.5 Prozent. «Wenn ich im Restaurant esse, beinhaltet dies auch die Dienstleistung, dass ich am Tisch sitze und bedient werde», erklärt Isabel Martinez, Ökonomin der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich. Deshalb sei es zu einem höheren Satz besteuert als Take-Away, weil beim Mitnehmen vom Essen die Verpflegung im Vordergrund stehe.
Auch im Verkehr gilt eine kuriose Mehrwertsteuerregelung: Wer ein Billett für den ÖV in der Schweiz kauft, bezahlt 7.7 Prozent Mehrwertsteuer. Wer ein Flugticket bucht, bezahlt hingegen keine Mehrwertsteuer. Gemäss Mehrwertsteuergesetz sind Beförderungsdienstleistungen in der Luftfahrt nämlich von der Mehrwertsteuer befreit.
System für Haushalte mit tiefem Einkommen
Doch warum ist die Mehrwertbesteuerung überhaupt so kompliziert? Martinez antwortet: «Das Problem der Mehrwertsteuer ist, dass sie keinen Unterschied macht, ob jemand ein hohes oder ein tiefes Einkommen hat.» Haushalte mit tiefem Einkommen geben deshalb mehr von ihrem Einkommen aus für den Konsum als Haushalte mit hohem Einkommen.
Als Resultat zahlen Haushalte mit tiefen Einkommen im Verhältnis zu ihrem Einkommen mehr Mehrwertsteuer als reichere Haushalte.
«Als Resultat zahlen sie im Verhältnis zu ihrem Einkommen mehr Mehrwertsteuer als reichere Haushalte.» Deshalb werde die Mehrwertsteuer auch als eine degressive Steuer bezeichnet, bei der man mit höherem Einkommen weniger an der Steuer zahlt. Dies war sozial nicht erwünscht, deshalb habe man bei Gütern des täglichen Bedarfs einen zweiten, tieferen Satz gemacht – dazu gehören unter anderem Lebensmittel.
Gibt es eine Alternative?
Bei diesen kuriosen Beispielen stellt sich die Frage: Was spricht denn für und was gegen eine einheitliche Mehrwertsteuer? «Für einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz spricht, dass man wegkommt von möglichem Lobbyismus und Interessensvertretungen», sagt Martinez. Ausserdem könnten mit einem Einheitssteuersatz Wettbewerbsverzerrungen zwischen verschiedenen Anbietern verhindert werden.
«Für unterschiedliche Sätze spricht der soziale Aspekt, dass Haushalte mit tieferen Einkommen entlastet werden müssen, weil diese einen grossen Teil ihres Einkommens für Güter des täglichen Bedarfs ausgeben.»