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Neue Arbeitsformen Wie arbeiten wir nach der Pandemie – und wo?

In der Pandemie haben viele von uns das Homeoffice kennengelernt. Werden wir nach Corona jemals in Büro zurückkehren?

Seit fast einem Jahr arbeiten viele von uns zu Hause. Dank digitaler Hilfsmittel wie Videokonferenzen funktioniert das besser, als wir uns das vor der Pandemie vorstellen konnten.

Die Vorteile des Homeoffice liegen auf der Hand: Ohne Pendeln bleibt mehr Freizeit, gleichzeitig entlasten wir die Umwelt. Wir sind der Frage nachgegangen, was davon nach der Pandemie bleibt und welche Folgen das hat.

Arbeiten wir auch in Zukunft zu Hause?

Es herrscht Einigkeit: Das Homeoffice wird nicht einfach verschwinden. Studien des Immobilien-Beratungsunternehmens Wüest Partner kommen zum Schluss, dass sich der Anteil der Unternehmen mit Homeoffice von 12 Prozent (Stand vor Corona) auf 30 Prozent mehr als verdoppeln wird. Je nach der berücksichtigten Branche kommen andere Studien zu höheren Werten von bis zu 50 Prozent.

Der Zustand, den wir während der Pandemie erleben und uns ins Homeoffice zwingt, ist allerdings eine Extremsituation. Expertinnen und Experten sind sich deshalb einig, dass die Zukunft der Büroarbeit hybrid ist: Weder werden wir fast ausschliesslich im Büro arbeiten wie vor Corona, noch bleiben wir fast immer zu Hause wie während der Pandemie.

Was bedeutet das für den Immobilienmarkt?

Auch hier gebe es einen Trend zur Flexibilisierung, sagt Patrick Schnorf von Wüest Partner. Während im traditionellen Modell Unternehmen einen leeren Büroraum für 5 bis 10 Jahre mieten und ihn selber einrichten, gehen immer mehr Firmen zu einem flexiblen Modell über: Sie beziehen von einem Anbieter fixfertige Arbeitsplätze und eine ganze Infrastruktur dazu – vom Bürotisch und -stuhl über Drucker und Kaffeemaschine bis zum Sitzungszimmer.

Ein weiterer Vorteil: Mieter gehen dabei keine langfristigen Verpflichtungen ein. Bei Bedarf können sie schnell neue Arbeitsplätze dazu mieten oder wieder aufgeben, wenn das Geschäft schlecht läuft.

Gerade in unsicheren Zeiten sei dieses Modell beliebt, sagt Andreas Widmer vom Coworking-Space West-Hive, der in der ganzen Schweiz 900 flexible Arbeitsplätze anbietet. Im Pandemie-Jahr konnte das Immobilien-Unternehmen bei den Kunden um 50 Prozent zulegen.

Verschwindet das klassische Büro mit langfristigen Verträgen?

Nicht alle Firmen steigen auf flexible Arbeitsplätze um. Unternehmen, die von der Pandemie profitierten, seien nach wie vor an klassischen Büroräumen mit langfristigen Verträgen interessiert, sagt Patrick Schnorf von Wüest Partner. Noch sei es jedoch zu früh, um den Einfluss der Krise auf den Immobilienmarkt abschliessend zu beurteilen.

Ein einfaches Sitzungszimmer mit einem Tisch und einer Flasche Wasser genügt nicht mehr.
Autor: Patrick Schnorf Immobilienexperte

Klar ist: Nicht geeignet für den neuen Arbeitsalltag sind Grossraumbüros: «Ein einfaches Sitzungszimmer mit einem Tisch und einer Flasche Wasser genügt nicht mehr», so der Immobilien-Experte. Damit man auch Mitarbeiterinnen aus dem Homeoffice in eine Sitzung integrieren kann, braucht es Räume mit der Infrastruktur für Videokonferenzen.

Welche neuen Technologien können die Kommunikation im Homeoffice erleichtern?

Videokonferenzen, wie wir sie heute kennen, gibt es schon seit etwa zwei Jahrzehnten. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Mit jeder Innovation wurde die Kommunikation sinnlicher: «Nach Briefen und dem Telegraphen kam das Telefon, dann die Video-Telefonie. Der nächste Schritt ist die Kommunikation im virtuellen, dreidimensionalen Raum», sagt der Informatiker Martin Oswald, der an der ETH Zürich zu 3D-Technologien forscht.

Eine präzise Abbildung der Mimik und der Hände solle auch die Kommunikation im virtuellen Raum sinnlicher machen. Die technischen Grundlagen dafür stammen aus der Film- und Game-Industrie. Jetzt gehe es darum, die gleiche Qualität in Echtzeit zu erzielen, so Martin Oswald. Doch bis neue Kommunikationsformen breit akzeptiert sind, dauere es jeweils Jahre.

Lässt sich das soziale Miteinander des Büros aufs Homeoffice übertragen?

Chat- und Kollaborationssoftware wie Zoom, Teams oder Slack sorgen dafür, dass Besprechungen aus dem Homeoffice effizient ablaufen. «Allerdings fällt es den meisten Menschen schwer, über solche Technologien gesellige Interaktion herzustellen», sagt Simon Schaupp, der an der Universität Basel als Arbeitssoziologe forscht.

Aktuell leben wir in den Unternehmen kommunikativ auf Pump.
Autor: Jens O. Meissner Leiter Zukunftslabor Hochschule Luzern

Der direkte, ungeplante Austausch ist zentral für die Beziehung unter den Mitarbeitenden und für die Kreativität. Tools und Dienste, die diesen Austausch auch im Homeoffice möglich machen, sind während der Pandemie nicht entstanden. Das bilanziert Jens O. Meissner, der an der Hochschule Luzern als Dozent arbeitet und dort das Zukunftslabor leitet. «Aktuell leben wir in den Unternehmen kommunikativ auf Pump», meint Meissner. Das müsse irgendwann wieder aufgeholt werden: «Deshalb ist bald die Zeit, sich auch persönlich wieder zu sehen.»

Bis es so weit ist, können technische Hilfsmittel zur Überbrückung dienen. Zum Beispiel virtuelle Chaträume, in denen sich die Angestellten zur Pause treffen wie im Büro zum Kaffeeklatsch. «Private Kommunikation kann man auch mit Online-Spielen fördern, die man während einer Pause zusammen mit Kolleginnen und Kollegen spielt», sagt Martin Oswald von der ETH Zürich.

Was sind die Nachteile dieser Entwicklung?

Im hybriden Büro, in dem ein Teil der Belegschaft zu Hause arbeitet und der andere vor Ort, wird viel mehr Kommunikation als heute elektronisch stattfinden – per E-Mail, auf einer Kollaborationsplattform oder im Videochat. Bei solcher Kommunikation fallen viele Daten an, die vom Unternehmen gesammelt und ausgewertet werden können.

Im Bürobereich werden gerade neue Formen von digitaler Arbeitskontrolle erprobt.
Autor: Simon Schaupp Arbeitssoziologe

Simon Schaupp von der Universität Basel beobachtet, dass das heute schon geschieht: «Im Bürobereich werden gerade neue Formen von digitaler Arbeitskontrolle erprobt. Und zwar insbesondere durch die Analyse von Metadaten – wer mit wem telefoniert, wie lange diese Gespräche dauern, wer welchen Redeanteil hat und so weiter.» In diesem Bereich werde schon viel herumexperimentiert, um damit Produktivitätsprofile von Beschäftigten zu erstellen, weiss Schaupp. «Da stellen sich dann Fragen der Überwachung und der Arbeitsintensivierung.»

Darf der Chef meine Daten aus dem Homeoffice auswerten?

Eine personenbezogene Auswertung von Arbeitsdaten ist in der Schweiz nur erlaubt, wenn es zuvor Hinweise auf missbräuchliches Verhalten gegeben hat. So ein Schritt darf aber nur als allerletzte Massnahme ergriffen werden.

Erlaubt ist dagegen die Auswertung von Arbeitsdaten, wenn diese Daten keiner bestimmten Person zugeordnet werden – also zum Beispiel auf der Ebene von Teams oder Unternehmenseinheiten. Das allerdings nur, wenn die Angestellten vom Arbeitgeber darüber informiert werden, dass so eine Überwachung stattfindet.

Wie verändert das Homeoffice das Angestelltenverhältnis?

Wird zum Arbeiten nicht mehr oder zumindest nicht mehr jeden Tag ins Büro gependelt, spielt die Distanz zwischen Wohnort und Arbeitsplatz eine viel weniger grosse Rolle. Das macht es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern möglich, Stellen anzunehmen, die früher zu weit entfernt gewesen wären.

Wie ein Hollywood-Produzent könnten Unternehmen Teams aus Superstars zusammenstellen.
Autor: Karin Frick Trendforscherin

Auf der anderen Seite entstehen so auch für Arbeitgeber neue Möglichkeiten: Sie sind beim Zusammenstellen eines Projektteams nicht auf die Angestellten beschränkt, die bei ihnen im Büro arbeiten; sie können ihre Teammitglieder theoretisch auf der ganzen Welt rekrutieren. «So, wie ein Filmproduzent in Hollywood sich den besten Regisseur, die beste Kamerafrau und die besten Schauspieler sucht, könnten die Unternehmen so Teams aus Superstars zusammenstellen», sagt Karin Frick, Trendforscherin am Gottlieb Duttweiler Institut.

Für die Angestellten könnte das den Effekt haben, dass Festanstellungen mit ihren Vorzügen wie Sozialleistungen und konstanter Beschäftigung langsam verschwinden – zugunsten von Modellen, die man aus der sogenannten «Gig Economy» wie zum Beispiel bei Uber kennt: Die Unternehmen würden die Arbeit der Leute im Homeoffice nur noch dann in Anspruch nehmen und bezahlen, wenn sie sie gerade brauchen.

SRF 1, Treffpunkt, 19. Februar 2021, 10:00 Uhr

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