Noch sitzt Andreas Barfuss in seinem Büro am Basler Aeschenplatz. Noch arbeitet er für die Bankiervereinigung, also für die Bankenseite. Als Bankenombudsmann setzt er sich künftig für die Kundenseite ein – ein Widerspruch, ein schwieriger Übergang?
Nein, findet Barfuss: «Vermitteln – das ist im Wesentlichen, was ich zuletzt zwischen Bankengruppen und Behörden getan habe. Neu werde ich das zwischen Bankkunden und Banken tun dürfen.»
Barfuss ist Jurist – eine wichtige Voraussetzung für die neue Stelle. Denn meist liegen die Streitpunkte im juristischen Kleinklein. Zudem hat er Ahnung von Banken, hat bei UBS und eben der Bankiervereinigung gearbeitet. Doch das ist nicht alles. «Ich war in Japan im IT-Bereich, bei der Swisscom Mobile und habe in einer Anwaltskanzlei gearbeitet. Ich hoffe doch, dass ich einen gewissen Überblick habe.»
Gut gerüstet ist Barfuss also für die neue Stelle. Er hat aber auch grossen Respekt vor der Fülle der Fälle. Denn in jedem einzelnen muss am Schluss eine Lösung gefunden sein. Sein Vorgänger Marco Franchetti war da äusserst erfolgreich. Knapp 2000 Fälle hat er Jahr für Jahr zusammen mit einem neunköpfigen Juristenteam bearbeitet. In 90 Prozent der Fälle konnte eine Lösung gefunden werden.
Schlechte Börsenjahre ziehen einen Anstieg der Fallzahlen beim Bankenombudsmann nach sich.
Eine Steilvorlage für Barfuss: «Ich würde sagen, der Bankenombudsmann macht seinen Job ausserordentlich gut.» Die Fachkompetenz helfe, denn man spreche die gleiche Sprache wie die Banken, sagt Barfuss. «Es ist nicht so, dass die Bank oder der Kunde einfach nachgibt. Es ist eine Verhandlung, eine Vermittlung. Man trifft sich in der Mitte oder die Bank lässt Kulanz spielen.»
Kulanz heisst zum Beispiel: Die Bank schreibt den Betrugsbetrag auf der Kreditkarte wieder gut, obwohl der Kunde nicht vorsichtig genug war – oder die Bank verzichtet bei einer vorzeitigen Auflösung einer Hypothek auf einen Teil der Vorfälligkeitsentschädigung.
Emotional wird es in Fällen, in denen es um richtig viel Geld geht – und zwar wenn Kunden der Bank vorwerfen, ihr Geld an der Börse verspielt zu haben. Und jetzt war wieder so ein schlechtes Börsenjahr. «Hier fehlt mir noch etwas die Erfahrung.
Grundsätzlich ziehen schlechte Börsenjahre aber einen Anstieg der Fallzahlen beim Bankenombudsmann nach sich. Es könnte durchaus sein, dass ich 2023 mit einer Vielzahl von Fällen konfrontiert sein werde.» Die Vergangenheit zeigte, dass in solchen Jahren diese Fälle jeweils um einen Drittel zunehmen.
«Bin nicht der typische Bankkunde»
Am meisten zu tun geben immer Fälle rund ums Konto, Gebühren, Karten. Streitwert mehrheitlich unter 20'000 Franken. Es geht also um das Alltagsbankgeschäft. Und was für eine Art Bankkunde ist der neue Bankenombudsmann? «Ich bin nicht der klassische Bankkunde und beanspruche keine Kundenberater.»
Das E-Banking hat Barfuss früh entdeckt, Apps nutzt er dagegen wenig. «Ich bevorzuge es, alles auf einem Bildschirm zu haben. Ich habe Neobanken wie Revolut aber ausprobiert. Sie bieten sehr viel und ich bin da sehr aufgeschlossen.»
Barfuss wird ab Neujahr die neusten Trends im Banking noch näher miterleben. Der Bankenombudsmann ist übrigens unabhängig, getragen durch eine Stiftung. Dessen Rat genehmigt jährlich ein Budget – bezahlen müssen dieses die Mitgliedsinstitute – also die Banken. Mitreden über das Budget können sie nicht – das soll die Unabhängigkeit garantieren. Es scheint seit 1993 zu funktionieren.