«Ist Masdar gescheitert?» Die Frage ist ihm schon x-mal gestellt worden. «Überhaupt nicht», antwortet Chris Wan, der Nachhaltigkeitschef von Masdar City leicht genervt.
Scheitern tun die, die nichts Neues anpacken.
Hier in Masdar sei in den letzten Jahren vieles ausprobiert worden. Einiges sei gescheitert, anderes sei später andernorts kopiert worden. Chris Wan steht vor dem regionalen Hauptsitz des deutschen Energiekonzerns Siemens. Das ist ein mehrstöckiges Gebäude mit einer Glasfassade.
Hunderte unterschiedlich ausgerichtete Segel aus dünnem Aluminium an der Fassade spenden Schatten. Dahinter beginnt die rund sechs Quadratkilometer kleine Stadt Masdar.
Es ist ruhig zwischen den hohen Bauten, fast ein wenig ausgestorben. Autos fahren keine. Die Gebäude stehen nahe beieinander, um einander Schatten zu spenden. Statt der ursprünglich geplanten 40'000 Menschen wohnen hier jedoch erst rund 3000 Menschen, vorwiegend Studierende.
Die Verantwortlichen von Masdar City selbst wohnen nicht hier, auch nicht Lutz Wilgen, der Design-Chef. Seine Hunde hätten hier keinen Platz, erklärt er. Ausgelastet sei Masdar aber gut.
Wir bauen Masdar Schritt für Schritt aus, entsprechend der Nachfrage. Und wir machen gesunde Gewinne.
So könne man immer wieder aus den bestehenden Bauten lernen. Wilgen zeigt auf ein Gebäude, dessen Fassade mit Plastikelementen verkleidet ist. Diese seien nach 15 Jahren verhärtet und müssten ersetzt werden. Daraus habe man gelernt und verwende nun andere Materialien, so Wilgen.
Für eine Ökostadt sind auffallend viele Gebäude aus Beton. Das deutlich klimafreundlichere Holz sei in der Region eben schwierig zu beschaffen, erklärt der Design-Chef. Neuerdings werde Lehm als Baustoff getestet.
Klimaneutral sei die Stadt heute – anders als geplant – noch lange nicht, räumt Wilgen ein: Erst zwei Null-Energie-Häuser stünden hier. Bald komme ein drittes hinzu. Es sei die erste klimaneutrale Moschee der Welt.
Vieles ist nicht so, wie es sich die Gründer von Masdar City ursprünglich vorgestellt hatten. Nach der Finanzkrise von 2008 hat die halbstaatliche Firma, die hinter Masdar steht, ihre Ambitionen heruntergefahren und externe Investoren hinzugezogen.
Gemäss gewissen Kritikern ist Masdar ein Projekt, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt war und nur dazu diente, den Vereinigten Arabischen Emiraten ein grünes Mäntelchen umzuhängen.
Gökçe Günel, Ethnologie-Professorin aus Texas, hat selbst in der Ökostadt gelebt. Sie glaubt, Masdar werde missverstanden: Mit Masdar hätten die Vereinigten Arabischen Emirate wirtschaftliche Alternativen zur Produktion von Öl und Gas aufgezeigt und Aufmerksamkeit erregt.
Masdar ist vor allem ein Projekt zur wirtschaftlichen Diversifizierung und weniger ein städtebauliches.
Ihre Stimme werde in der globalen Energie- und Klimapolitik seither gehört. Schliesslich hätten die Emirate nicht zufällig die letzte UNO-Klimakonferenz in Dubai ausgerichtet.
Das Stadt-Projekt Masdar ist nicht mehr vorrangig.
Die Regierung in Abu Dhabi und das Unternehmen hinter Masdar hätten heute andere Prioritäten, meint Günel: «Das Stadtprojekt Masdar ist nicht mehr vorrangig.» Heute stünden Dinge wie grüne Anleihen oder die Produktion von grünem Wasserstoff im Vordergrund.
Sehr wahrscheinlich wächst Masdar City also nur noch langsam weiter. Wichtige Impulse fürs nachhaltige Bauen sind von hier kaum mehr zu erwarten. Politisch hat Abu Dhabi mit dem Ökostadt-Projekt Masdar City aber einiges erreicht.