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Pariser Klimaabkommen Bafu-Direktorin: «Schweiz hat Ziel von 20 Prozent knapp verfehlt»

Die Schweiz verfehlt ihre Klimaziele. Katrin Schneeberger vom Bundesamt für Umwelt nimmt Stellung.

Vor sechs Jahren gelang global ein grosser Wurf: Das Pariser Klimaabkommen trat in Kraft. Die Erderwärmung sollte auf zwei Grad begrenzt werden. Später korrigierte man das Ziel aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse auf 1.5 Grad.

Auch die Schweiz ratifizierte das Abkommen knapp ein Jahr später und verpflichtete sich unter anderem zu einer Halbierung ihrer Emissionen bis 2030.

Dieses Ziel zu erreichen, wird nach aktueller Lage schwierig. Die Direktorin des Bundesamts für Umwelt (Bafu) möchte es zwar nicht so formulieren, aber: Es hat viel mit dem Stimmvolk zu tun.

Katrin Schneeberger

Direktorin Bundesamt für Umwelt, Bafu

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Katrin Schneeberger leitet seit September 2020 das Bundesamt für Umwelt. Das Bundesamt ist dem Uvek unterstellt. Zuvor war Schneeberger acht Jahre lang zuerst als Vizedirektorin, dann als stellvertretende Direktorin des Bundesamts für Strassen Astra tätig.

SRF: Wo steht die Schweiz in Bezug auf die Klimaziele?

Katrin Schneeberger: Die Schweiz hat bis 2020 gegenüber 1990 ihre Emissionen um 19 Prozent reduziert. Sie hat ihr Ziel von 20 Prozent knapp verfehlt.

Nur die Industrie hat ihr Ziel erreicht. Im Gegenzug haben der Verkehrsbereich, der der grösste Emittent ist, und der Gebäudebereich zu wenig reduziert. Es werden weiterhin noch zu viele Öl- und Gasheizungen eingesetzt.

Was ist politisch schiefgelaufen?

Ich weiss nicht, ob man sagen kann, dass etwas schiefgelaufen ist. Das Parlament hat den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative verabschiedet. Die SVP hat das Referendum ergriffen. Und der Bundesrat hat sehr schnell ein neues CO₂-Gesetz verabschiedet, nach der Ablehnung der Totalrevision durch die Bevölkerung. Diese beiden Vorlagen sind jetzt auf dem Tisch.

Was geschieht, wenn die Vorlagen wieder scheitern?

Würden die beiden Vorlagen scheitern, müsste die Politik nach neuen Lösungen suchen und entsprechende Vorschläge ausarbeiten. Der Handlungsdruck ist gross.

Die Schweiz will ihre Emissionen auch über Klimaabkommen senken. Wie viele solcher Abkommen gibt es bereits, und was ist in Planung?

Damit die Schweiz ihre Klimaziele erreichen kann, unterstützt sie auch Projekte im Ausland. Die Schweiz hat bisher acht solcher Abkommen verabschiedet. Drei weitere Projekte sind in der Pipeline und können nächstens vom Bundesrat unterschrieben werden.

Die Schweiz und ihre Klimaabkommen

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Die Schweiz hat Klimaabkommen mit folgenden Staaten abgeschlossen:

  • Dominica
  • Georgien
  • Ghana
  • Peru
  • Senegal
  • Thailand
  • Ukraine
  • Vanuatu

Abkommen mit Marokko, Uruguay und Malawi sollen noch in diesem Jahr unterzeichnet werden.

Die Schweiz wird dort Projekte zur Senkung von Emissionen finanzieren und kann die Reduktionen sich selbst anrechnen. Die Nehmer-Länder können diese nicht mehr geltend machen.

Das Pariser Klimaabkommen sieht solche Verträge ausdrücklich vor, da sie hülfen, weltweit weniger Emissionen zu verursachen.

Welche Konsequenzen hat es für die Schweiz, falls sie das Klimaziel der Halbierung verfehlt?

Direkte Konsequenzen hat es für die Schweiz nicht, wenn sie die Verpflichtung, die sie unter dem Übereinkommen von Paris eingegangen ist, nicht erfüllen kann. Aber wir haben gerade einen Hitzesommer hinter uns, wir haben Hochwasser erlebt. Ich glaube, wir tun gut daran, wenn wir jetzt die entsprechenden Massnahmen einleiten.

Letzte Woche haben die Vereinten Nationen einen Bericht veröffentlicht, nach dem alle bisher formulierten Massnahmen der Weltgemeinschaft schon jetzt bei Weitem nicht ausreichen. Da müsste die Schweiz doch nachbessern?

Es ist korrekt, dass wir gemäss der Klimaziele, die eingereicht worden sind, in Richtung einer Erderwärmung von 2.8 Grad zusteuern. Es ist darum wichtig, dass wir das Ziel von 1.5 Grad Erderwärmung nicht aus den Augen verlieren.

Die Schweiz wird sich im Rahmen der Weltklimakonferenz in Sharm-el-Sheik dafür einsetzen, dass alle Staaten ihren Beitrag leisten, insbesondere auch die grössten Treibhausgas-Emittenten wie Brasilien, China oder Indien. Und die Schweiz setzt sich weiter dafür ein, dass man arme Staaten oder Inselstaaten, denen in Zukunft förmlich das Wasser bis zum Hals stehen könnte, entsprechend finanziell unterstützt.

Das Gespräch führte Manuela Siegert.

10vor10, 03.11.2022, 21:50 Uhr ; 

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