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Klimawandel und Zement «Wir müssen nachhaltiger werden – das Klima geht uns alle an»

Die Zementproduktion ist ein Klimakiller. Acht Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen werden von der Zementindustrie verursacht. Die Holcim AG mit Sitz in Zug gehört zu den grössten Baustoffunternehmen der Welt, so auch bei der Zementherstellung. Mitte Juni kündigte Holcim an, bis 2050 klimaneutral zu sein. Wie soll das gehen? Das Interview mit Holcim-Chef Jan Jenisch.

Jan Jenisch

CEO der Holcim-Gruppe

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Jan Jenisch ist seit 2017 CEO von Holcim und seit 2021 Mitglied des Verwaltungsrats. Zuvor hatte der 56-Jährige die gleiche Position beim Schweizer Bauchemiekonzern Sika inne. Jenisch ist zudem Präsident der Global Cement and Concrete Association und Verwaltungsratsmitglied der Glas Troesch Holding in Bützberg.

SRF News: Die Zementherstellung ist eine CO2-Schleuder, kann man das überhaupt ändern?

Jan Jenisch: Ja, wir sind daran, die Kohlenstoff-Emissionen massiv zu reduzieren und durch kohlenstoffarme Energiequellen zu ersetzen. Wir setzen stark auf erneuerbare Energien, um das Bauen und den Betrieb von Gebäuden nachhaltiger zu machen.

Der Klimakiller Beton soll jetzt klimafreundlich werden – wirklich?

In den vergangenen zwei Jahren ist viel passiert. Seit zwei Jahren arbeiten wir mit Produkten, die heute schon mindestens ein Drittel weniger CO2 verbrauchen. Aber letztlich wollen wir die ganze Wertschöpfungskette nachhaltiger machen. Das geschieht schrittweise, bis wir das Net-Zero-Ziel erreicht haben.

So will Holcim grüner werden

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Ein weisser Güterzug mit dem Holcim-Logo steht vor Materialsilos des Holcim Zementwerks.
Legende: Ein Güterzug steht vor Materiallagersilos des Holcim Zementwerks in Untervaz. KEYSTONE/Gaetan Bally
  • Alternative Brennstoffe: Holcim betreibt ihre Anlagen mit alternativen Brennstoffen und verwendet dazu Materialien am Ende ihres Lebenszyklus, von Biomasse bis hin zu Siedlungsabfällen. Zudem nutzt Holcim in grossem Umfang erneuerbare Energien wie Solar-, Wasser- und Windenergie.
  • Neue Formeln: Holcim will neue Produkte auf den Markt bringen, die einen tieferen CO2-Fussabdruck hinterlassen, beispielsweise aus kalziniertem Ton oder Bau- und Abbruchabfällen. Beton und Zementmixuren sollen so klimafreundlicher werden.
  • Mobilität: Der Konzern nutzt nach eigenen Angaben die umweltfreundlichsten und effizientesten Transportmöglichkeiten, von Elektrofahrzeugen bis hin zu Eisenbahnen und Lastschiffen. Zudem digitalisiert Holcim den Transport und die Logistik, um die CO2-Bilanz zu optimieren.
  • Neue Technologien: Holcim will Technologien der nächsten Generation entwickeln. Aktuell begleitet das Unternehmen weltweit 30 Pilotprojekte im Bereich Kohlenstoffabscheidung, -speicherung und -nutzung. Die Projekte reichen von der Verwendung von Kohlenstoff als Pflanzendünger bis zur Nutzung als alternativen Kraftstoff in der Luftfahrtbranche.

Ist da nicht etwas Wunschdenken?

Nein, das sind nicht einfach Marketing-Sprüche. Hier geht es um wissenschaftlich untermauerte Innovation. Unsere neuen Betonvarianten haben eine bessere Umweltbilanz als Stahl, Glas oder sogar Holz. Wir müssen nachhaltiger werden, das Klima geht uns alle an. Das ist auch ein persönliches Anliegen von mir.

Indonesische Inselbewohner klagen gegen Holcim, weil deren Insel im Meer versinkt – sehen Sie eine Mitverantwortung?

Das müssen die Gerichte entscheiden. Ich glaube, es ist der falsche Weg, einzelne Firmen zu verklagen. Wir müssen alle gewaltige Anstrengungen unternehmen, um nachhaltiger zu leben. Wir sollten unsere Energie darauf konzentrieren.

Würden Sie denn strenge gesetzliche Vorgaben bei der Zementherstellung begrüssen?

Absolut. Das gäbe der Entwicklung von nachhaltigen Produkten viel mehr Schub. Wir sehen jedoch noch wenig Unterstützung von den Entscheidungsträgern in den Regierungen. Sie sind zu langsam mit klimafreundlichen Baunormen – auch aus Angst, dass dies höhere Kosten mit sich bringt.

Sind die Kunden bereit, einen höheren Preis zu bezahlen?

Bei grossen Volumen sind die klimafreundlichen Produkte nicht teurer. Unsere klimafreundlichen Betonprodukte haben nach zwei Jahren bereits einen Anteil von 16 Prozent. Wir rechneten ursprünglich mit 25 Prozent im Jahr 2025. Wir werden dieses Ziel wohl bereits nächstes Jahr erreichen. Immer mehr Betriebe wollen ihre Gebäude CO2-reduziert bauen, beispielsweise Amazon, aber auch viele andere. Was auffällt: Auch viele Städte wollen und müssen grüner werden und nachhaltig bauen.

Dennoch verkaufen Sie immer noch zum grössten Teil klimaschädliche Produkte.

Wichtig ist, dass man Schritt für Schritt vorwärtsgeht. Das betrifft nicht nur unsere Produkte, auch Holcim als Unternehmen will das Net-Zero-Ziel erreichen. In Europa sind wir schon sehr weit.

Alter Beton ist zu 100 Prozent wiederverwertbar. So gesehen sind wir eines der grössten Recycling-Unternehmen der Welt.

Zwei Drittel der Rohstoffe kommen vom Haushaltsmüll, Industrieabfällen oder vom Bauschutt. Alter Beton ist zu 100 Prozent wiederverwertbar. So gesehen sind wir eines der grössten Recycling-Unternehmen der Welt.

Das Gespräch führte Vivane Manz Ende September an den Climate Days in New York.

10vor10, 06.10.22, 21:50 Uhr ; 

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