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Privatisierung Das Drama um Postfinance ist noch lange nicht ausgestanden

Der Staat ist kein guter Unternehmer. Das zeigt sich am Beispiel Post exemplarisch. Schnelle Entscheidungen, um der unternehmerischen Verantwortung gerecht zu werden, sind unmöglich. In einem komplexen Fall wie der Post und ihrem Finanzinstitut erst recht.

Der ordnungspolitische Sündenfall soll nun zwar nicht stattfinden, dafür soll Postfinance ganz privatisiert werden. Politisch unmöglich, das zeigte die Vernehmlassung, wäre die Teilprivatisierung gewesen. Damit wäre der Staat via Post immer noch der dominierende Eigentümer geblieben. Eigentümer einer Firma, die im hochkompetitiven Finanzmarkt tätig ist. Ein No-Go.

Doch auch die nun angestrebte Privatisierung, bei der die Mehrheit an Postfinance in dritte Hände geht, ist kein Befreiungsschlag. Im Gegenteil, er stellt die weitere Existenz von Postfinance als Gebilde grundsätzlich in Frage.

Eher zu viel als zu wenig Banken in der Schweiz

Dies gleich aus mehreren Gründen: In der Schweiz gibt es trotz andauernder Konsolidierung weiterhin eher zu viel als zu wenig Banken, die um die dünner fliessenden Erträge buhlen. Und die disruptive Kraft der Digitalisierung hat sich noch nicht mal voll entfaltet in der Schweiz. Dem Land, in dem «Old School Banking» immer noch weit verbreitet ist und viele Institute eher eine digitale Fassade hochgezogen haben, um einen fitten Eindruck zu machen. Als wirklich das Fundament, die zugrundeliegenden Prozesse, zu modernisieren.

Und so lange die Zinsen so tief sind und die Banken mit dem Zinsdifferenzgeschäft auf Sparkonten kaum Geld verdienen können, wird sich auch das Interesse potenzieller Käufer an Postfinance in Grenzen halten. Kunden, die ihr Geld vor allem auf dem Konto parkieren, kosten mehr als sie einbringen.

Die weitere Zukunft von Postfinance bleibt damit erst recht ungewiss. Genauso wie der weitere Gesetzgebungsprozess, der die Privatisierung überhaupt ermöglichen soll. Zuerst will der Bundesrat nun in diesem Jahr noch Vorschläge ausarbeiten lassen, was bei einer mehrheitlichen Privatisierung mit den Service-Public-Bereichen Zahlungsverkehr und Grundversorgung genau passieren soll. Damit wird weiter Zeit verstreichen, bis die Vorlage überhaupt ins Parlament kommt. Gleichzeitig kann es durchaus sein, dass gegen das neu revidierte Postgesetz dann auch noch das Referendum ergriffen wird.

«Schönwetter-Strategie» rächt sich

So wird Monat für Monat ins Land ziehen, während die Ertragslage von Postfinance immer prekärer wird. Denn: Dass sich die Zinsen nach oben bewegen und damit das Zinsdifferenzgeschäft wieder in Schwung bringen, ist vorläufig nicht absehbar. Und bis die Postfinance-Frage restlos geklärt ist, wird sich das Institut auch nicht auf dem Kredit- und Hypothekarmarkt betätigen dürfen.

Der grosse Schaden wurde allerdings viel früher angerichtet. Zu den Zeiten als Postfinance mit ihren sprudelnden Gewinn praktisch den ganzen Post-Konzern über Wasser halten musste. Das war eine «Schönwetter-Strategie», die sich nun rächt – und die ehemalige Ertragsperle gleich gänzlich in ihrer Existenz bedroht.

Matthias Pfander

Co-Leiter Wirtschaftsredaktion

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Matthias Pfander ist seit über 20 Jahren im Wirtschaftsjournalismus tätig, seit Mitte 2017 als Reporter und Planer für die Wirtschaftsredaktion von SRF TV. Zuvor arbeitete er unter anderem für den «Tages-Anzeiger» und die «Blick»-Gruppe.

Tagesschau, 20.01.2020, 19:30 Uhr

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