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Die Geschichte der goldenen Sonderbeilage der «Bilanz»
Aus Echo der Zeit vom 28.11.2019. Bild: Keystone
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Reichenranking der «Bilanz» Vom Kritiker zum Hofierer der Reichsten

In seinen Anfängen habe das Schweizer Magazin «Bilanz» die Mächtigen hinterfragt – heute die Umverteilung, sagt eine Historikerin.

Bei ihrer Studie über das Reichen-Ranking der «Bilanz» sei es ihr nicht um den Reichtum an sich gegangen, betont die Historikerin Monika Dommann. «Mich hat die Art und Weise interessiert, wie die Reichen ins Bild gerückt werden und welche Geschichten erzählt werden.» Sie hat kleine tektonische Verschiebungen im Umgang mit Reichen in der Schweiz beobachtet.

Am Anfang, im Oktober 1989, sei die Zeitschrift mit dem Ziel angetreten, eine Sozialtopographie des Schweizer Megareichtums zu erstellen. «Das hat durchaus den aufklärerischen, enthüllenden Impetus gehabt. Da steht zum Beispiel der Satz: Was ist schon ein Gemeinderat eines Dorfes gegen den Fabrikherrn, dem das halbe Dorf gehört?»

Damals: Transparenz und Kontrolle der Macht

Es sei laut den Machern – nach deren eigenen Angaben – um mehr Transparenz und eine Kontrolle der Macht gegangen, sagt Dommann. Bis dato hätten die Reichen versucht, ihren Reichtum zu verstecken. Das spiegele sich auch in der Optik der «Bilanz», sagt Dommann: «In der ersten Nummer waren die Reichen in schwarz-weissen Passfotos abgebildet. Von einigen gab es noch gar kein Bild.»

In der Schweiz ist punkto Reichtum eher eine Kultur des Verbergens spürbar.

Ganz anders in Amerika, wo das Reichen-Ranking in Wirtschaftsmagazinen wie «Forbes» schon seit dem ersten Weltkrieg Tradition ist. «Während in den USA die Zurschaustellung des Reichtums auch in der Form des Tycoons eine lange Geschichte hat, ist in der Schweiz – gerade auch, weil die Banken hier sehr zentral sind, die auf Diskretion bemüht sind – eher eine Kultur des Verbergens spürbar.»

Wie ein Paukenschlag

Es sei daher wie ein Paukenschlag gewesen, die Reichen auch in der Schweiz an die Öffentlichkeit zu zerren. «In der ersten Nummer vorne dabei waren diejenigen Reichen aus der chemischen Industrie die im 19. Jahrhundert zu Geld gekommen sind, zum Beispiel die Familie Oeri-Hoffmann.»

Auch der SVP-Politiker und Unternehmer Christoph Blocher wurde damals schon als «reichster Politiker» gelistet. Nicht nur sein Vermögen habe seitdem stark zugenommen. Die «Bilanz» trug dem Rechnung, indem sie das Ranking schon Anfang der 90er Jahre auf 300 erweiterte – und auch Ausländer mit Wohnsitz in der Schweiz in ihre Gold-Ausgabe aufnahm.

Heute: Umverteilung wird kritisch kommentiert

Die Haltung der Reichen zu ihrem Geld habe sich über die Jahre verändert, hat Dommann beim Durchblättern festgestellt. «Etwa ab dem Jahr 2000 sieht man, dass es mehr Lust gab an der Darstellung der Reichen, an den Anlässen, an den Insignien, mit denen sie sich umgeben – mit Kunst, Jacht, Autos, schönen Frauen...»

Auch die «Bilanz» habe ihre Haltung geändert, meint die Professorin. Die Rhetorik des Aufdeckens der ökonomischen Macht und der Transparenz sei immer mehr der Bewunderung und Legitimierung des Status Quo gewichen. So seien Versuche von Links, den Reichtum anzutasten, etwa mit Steuerreformen, von der Redaktion zunehmend kritisch kommentiert worden.

Leistung muss sich lohnen

Die «Bilanz» selbst schreibt dazu auf Anfrage, die Transparenz sei inzwischen durch das Internet massiv gestiegen. Im Übrigen vertrete als Wirtschaftsmagazin den Standpunkt, dass sich Leistung lohnen müsse – und dass es in der Schweiz nicht mehr Umverteilung brauche.

Durchaus im Konsens mit dem Schweizer Stimmvolk, das eine Erbschaftssteuer 2015 an der Urne ablehnte. Und sich den Reichtum in der vorweihnachtlichen Gala der «Bilanz» nurmehr widerstandslos vorführen lasse, wie Monika Dommann meint.

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