Zum Inhalt springen

Rezessionsängste Spardruck kommt im Arbeitsmarkt an

Steigende Preise, lahmende Verkäufe. Unternehmen spüren die Wirtschaftsflaute und müssen sparen – nun auch beim Personal.

Die hohe Inflation war am WEF das Thema Nummer eins. Sie belastet die Unternehmen – aber vor allem auch die Angestellten. Das Dilemma: Arbeitnehmende fordern mehr Lohn, um die höheren Strom- und Lebensmittelpreise zu decken. Arbeitgeber wollen aber ihrem Personal nicht auch noch mehr bezahlen müssen.

Eine Pflegefachperson schreitet aus einem Zimmer.
Legende: Viele Pflegefachkräfte haben den Beruf verlassen. Nun herrscht dort Fachkräftemangel. KEYSTONE/Gaetan Bally

«Die Löhne steigen nicht genug – verglichen mit den Preisen», sagt denn auch die Gewerkschafterin Christy Hoffman zu SRF am Rande des WEF. Das gelte bis auf wenige Ausnahmen in der ganzen westlichen Welt. Die Generalsekretärin der internationalen Gewerkschaft UNI Global Union macht sich vor allem um die «einfachen» Angestellten Sorgen. Diese seien übermässig von der Inflation betroffen.

Jobangst kehrt zurück

Gemäss Gewerkschafterin Hoffman zeigen Daten, dass die Löhne in den meisten Ländern nicht mit der Inflation Schritt hielten. «Besonders trifft es Berufsleute im Tieflohn-Segment», sagt sie. Dort seien auch Entlassungen nicht auszuschliessen.

Die Löhne steigen nicht genug – verglichen mit den Preisen
Autor: Christy Hoffman Gewerkschafterin

Techfirmen wie Internetriese Amazon hat denn auch bereits Tausende von Stellen gestrichen. Auch andere Unternehmen kündigten Entlassungen an.

Kein Wunder wird da die Jobangst grösser. Gemäss einer Umfrage des weltweit tätigen Personalvermittlers Randstad hat mehr als ein Drittel (37 Prozent) Angst, den Job zu verlieren, bei der Generation Z, also den 18- bis 24-Jährigen, sind es sogar 43 Prozent – ein Anstieg von 10 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr.

Zweiter Job gesucht

Der Personalvermittler hat 35'000 Arbeitnehmenden aus Europa, dem asiatisch-pazifischen Raum sowie Nord- und Südamerika befragt. Dabei gab auch mehr als die Hälfte (52 Prozent) an, über die Auswirkungen der wirtschaftlichen Ungewissheit auf ihre Arbeitsplatzsicherheit besorgt zu sein.

Wer einen Teilzeitjob hatte von 20 Stunden die Woche, macht jetzt 30 oder 40 Stunden.
Autor: Sander van 't Noordende Randstad-Chef

Dass die Löhne nicht mit der Teuerung gleichziehen, kann auch Randstad-Chef Sander van 't Noordende beobachten. So halte bereits jede vierte Person Ausschau nach einem Zweitjob. «Oder die Leute arbeiten länger. Wer zum Beispiel einen Teilzeitjob hatte von 20 Stunden die Woche, macht jetzt 30 oder 40 Stunden.»

Rare Fachkräfte im Vorteil

Doch es gibt auch die andere Seite. Rare Fachkräfte müssen sich keine Sorgen machen. Ihre Verhandlungsmacht sei gar gestiegen, so der Randstad-Chef: «Die Firmen müssen diese Angestellten fast schon wie Kunden betrachten, und sich die Frage stellen, was diese wollen.» Sie wollten für eine gute, sinnstiftende Firma arbeiten, mitentscheiden, wann, wie und wo sie arbeiten. «Und natürlich geht es auch ums Geld. Firmen müssen attraktive Löhne zahlen», sagt van 't Noordende.

Und natürlich geht es auch ums Geld. Firmen müssen attraktive Löhne zahlen.
Autor: Sander van 't Noordende Randstad-Chef

Für Gewerkschafterin Hoffman ist klar: «Wenn die Löhne nicht stimmen, müssen Unternehmen mit Konsequenzen rechnen.» Beispiele dafür gebe es auch in der Schweiz. «Viele Pflegefachkräfte haben den Beruf verlassen. Diese Leute wissen, dass sie aufgrund des Fachkräftemangels ein wenig mehr Verhandlungsmacht haben. Das gilt aber nicht für die weniger qualifizierten Arbeitnehmenden.»

Tagesschau, 20.02.23, 19.30 ; 

Meistgelesene Artikel