«Wer hat's erfunden?», fragt eine Bonbonwerbung nicht ganz zufällig. Denn die Schweiz ist das erfindungsreichste Land Europas und meldet so viele Patente an pro Kopf wie kein anderes Land. Bis jetzt, denn letztes Jahr haben Schweizer Unternehmen plötzlich zwei Prozent weniger Patente beim Europäischen Patentamt (EPA) eingereicht als im Jahr zuvor, erstmals seit der Finanzkrise 2009.
«Das ist eine Momentaufnahme»
Ein Grund zur Sorge sei dies nicht, sagt Rainer Osterwalder vom Europäischen Patentamt. Dies, obwohl der Rückgang der Schweizer Patentanmeldungen stärker ist als der Rückgang der Gesamtanmeldungen beim EPA.
Osterwalder aber sagt: «Das ist eine Momentaufnahme einer Entwicklung, welche sich möglicherweise erst in den nächsten Jahren akzentuiert. Das Patentsystem reagiert jeweils immer zeitversetzt.»
Vielleicht hätten Schweizer Firmen abwarten wollen, wie sich die Wirtschaft nach der Pandemie global entwickle, sagt der Patent-Spezialist: «Um anschliessend die Akzente zu setzen, und in der Zukunft mit starken Produkten und Dienstleistungen am Markt vertreten zu sein. Patente bedeuten immer, langfristig zu investieren.»
Konsumgüterbereich stagniert
Der Patent-Index 2020 zeigt, dass Schweizer Unternehmen vor allem in zwei Bereichen deutlich weniger Patente angemeldet haben als 2019: Nämlich in der Messtechnik, der Sensorik also, und der Medizintechnik, mit Rückgängen von mehr als 13 Prozent.
«Diese konnten nicht kompensiert werden mit einer Zunahme im für die Schweiz so wichtigen Konsumgüterbereich, also Outdoor, Kleidung, Künstlerbedarf oder Taschenmesser», erklärt Osterwalder. In diesem Bereich gehöre die Schweiz zu den grossen Patentanmelder.
Wieso die Schweiz derart erfinderisch ist, hängt wohl damit zusammen, dass sie ein rohstoffarmes Land ist, Rohstoffe importiert und seit je in ertragskräftige Produkte ummünzen muss.
Insgesamt haben die Firmen aus aller Welt 2020 gut 180'000 neue Patente beim Europäischen Patentamt angemeldet. Am Stärksten zulegen konnten China und Südkorea, sie haben zwischen neun und zehn Prozent mehr Patente angemeldet – die USA hingegen vier Prozent weniger.
Wir können noch keine einzelnen Statistiken zu Corona-Techniken präsentieren.
Analysiert man die Patentanmeldungen nach Industrien, war der Treiber 2020 das Gesundheitswesen, mit 16 Prozent aller Anmeldungen, sagt Rainer Osterwalder. Aber: «Wir können noch keine einzelnen Statistiken zu Corona-Techniken präsentieren, weil Patente aus dem Jahr 2020 noch der Geheimhaltungspflicht unterliegen.»
Die Geheimhaltungsfrist beträgt ab der Anmeldung eines Patentes 18 Monate. So schützt man den Inhalt vor Dritten, bis das Patent geprüft und eingetragen ist.
Corona-Patente im Frühling eingegangen
Wegen dieser Geheimhaltungspflicht kann auch das Schweizer Patentamt noch keine genauen Zahlen zu Corona-Patentanmeldungen machen. Alban Fischer vom Institut für Geistiges Eigentum in Bern weiss aber immerhin, in welche Richtung es geht: «Die Patentanmeldungen mit klarem Covid-Bezug sind bereits im ersten Lockdown eingetroffen: Masken, Beatmungsgeräte, Medikamente. Fast aber noch mehr angezogen haben die Markenanmeldungen. Diese sind explodiert.»
Auch Marken müssen beim Institut für geistiges Eigentum angemeldet werden, will man sie schützen lassen. Viele Leute hätten in der Krise eine Chance gesehen, diese gepackt, Firmen gegründet und neue Produkte beziehungsweise Marken mit Covid-Bezug lanciert – so zum Beispiel Masken, sagt Alban Fischer.