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Scheidender SNB-Präsident Jordan: «Der Wert des Geldes ist für alle Menschen wichtig»

Thomas Jordan hat es erneut getan: Er senkt den Leitzins auf 1.0 Prozent. Das ist sein letzter geldpolitischer Entscheid, denn Ende September tritt er nach zwölf Jahren als Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zurück. Sein allerletztes Interview gab er dem «Tagesgespräch».

Thomas Jordan

Nationalbankpräsident

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Thomas J. Jordan wurde 1963 in Biel geboren. Er studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bern. Er wurde 2012 vom Bundesrat zum Präsidenten des SNB-Direktoriums gewählt.

SRF News: Die Schweizerische Nationalbank senkt ihren Leitsatz zum dritten Mal in Folge auf 1.0 Prozent. Warum?

Thomas Jordan: Wir haben einen deutlich tieferen Inflationsdruck als noch vor drei Monaten, und daher muss man die Geldpolitik lockern. Es ergibt keinen Sinn, dass die Zinsen zu hoch bleiben, wenn die Inflation zurückgeht. Wir wollen durch eine Lockerung der Geldpolitik auch verhindern, dass die Inflation zu tief wird. Sie soll über den mittelfristigen Zeitraum im Bereich der Preisstabilität bleiben.

Sie haben in den letzten zwölf Jahren als oberster Währungshüter immer wieder Entscheidungen getroffen, bei denen Sie wussten, dass diese grosse Auswirkungen haben würden – auch auf das Portemonnaie von allen. Hat Sie das beschäftigt?

Ja, das hat natürlich eine sehr grosse Bedeutung. Wir wissen, dass das, was wir tun, enorme Auswirkungen auf den Wert des Geldes hat. Der Wert des Geldes ist für alle Menschen wichtig, insbesondere für Gruppen mit eher niedrigen Einkommen. Für sie ist die Preisstabilität absolut entscheidend.

Man darf nicht «lafere» als Nationalbankchef, sondern muss versuchen, verständlich zu sein.

Das ist auch unser Mandat, und wir wollen es natürlich bestmöglich erfüllen. Deshalb müssen wir uns sehr intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen. Auch persönlich interessiere ich mich sehr dafür, wie sich die Preise in den Läden entwickeln.

Mann in Anzug hebt Hand in gestikulierender Pose.
Legende: Während zwölf Jahren gab es für ihn auch in den Ferien keine Pausen von der Geldpolitik: der abtretende Nationalbankpräsident Thomas Jordan. KEYSTONE/Til Buergy

Was erfahren Sie da?

Vor zwei Jahren zum Beispiel, als man lange dachte, die Inflation bleibe niedrig, ist mir beim Einkaufen mit meiner Frau aufgefallen, dass sich die Preise verändern. Es ging um Bettwäsche: Das ältere Produkt kostete 30 Franken, das neuere bereits 40 Franken. Das war eine deutliche Preissteigerung. Wenn man solche Dinge beobachtet und sich für diese Themen interessiert, bekommt man eigentlich ein relativ gutes Gespür dafür, wie sich die Preise in der Wirtschaft entwickeln.

Alles, was Sie in der Öffentlichkeit sagen, kann marktrelevant sein. Daher stehen Sie unter dem Druck, sehr präzise zu kommunizieren. Wie gehen Sie damit um?

Das stimmt. Man darf nicht «lafere» als Nationalbankchef, sondern muss wissen, was man sagen will und man muss auch versuchen, verständlich zu sein. Das ist nicht immer einfach, weil es halt sehr technisch ist.

Wie haben Sie das eigentlich in den letzten Jahren im Privatleben gemacht – zum Beispiel beim Wandern mit Freundinnen und Freunden, die sie eventuell ausfragen?

Im Freundeskreis rede ich strikt nicht über Geldpolitik. Das ist nicht gut. Das sollte man nicht machen und ich habe mich da wirklich drangehalten.

Ich habe meine Arbeit sehr, sehr gerne gemacht, aber der Druck ist gross. Man muss sich zu 100 Prozent dauernd konzentrieren.

Am Montag ist ihr letzter Arbeitstag nach insgesamt 27 Jahren bei der Nationalbank. Wie fühlen Sie sich?

Es wird jetzt etwas anderes kommen und eine Veränderung geben. Ich habe meine Arbeit sehr, sehr gerne gemacht, aber der Druck ist gross. Man muss sich zu 100 Prozent dauernd konzentrieren. Auch in den Ferien es gibt keine Pausen von der Geldpolitik.

Einer Ihrer Vorgänger, Jean-Pierre Roth, ging zu Nestlé. Ihr direkter Vorgänger Philipp Hildebrand ging zu Blackrock. Finden Sie es problematisch, wenn man nach dem Amt in der Nationalbank in die Privatwirtschaft wechselt?

Ich finde das nicht problematisch, aber ich habe mich noch nicht entschieden, was ich machen will.

 Das Gespräch führte David Karasek.

SRF Tagesgespräch, 26.09.2024, 13 Uhr ; 

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