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SNB-Chef Martin Schlegel «Bankenprofitabilität ist die erste Verteidigungslinie in Krisen»

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat den Leitzins auf 0.0 Prozent gesenkt und befindet sich damit an der Grenze zu Negativzinsen. SNB-Präsident Martin Schlegel erklärt, warum.

Martin Schlegel

Chef Schweizerische Nationalbank (SNB)

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Martin Schlegel ist seit September 2024 Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank. Zuvor war er Vizepräsident und leitete das II. Departement, welches sich unter anderem mit Themen wie Finanzstabilität, Risikomanagement und dem Rechnungswesen beschäftigt.

SRF News: Martin Schlegel, warum lockern Sie die Zinsen nur auf null? Warum sind Sie nicht unter die Nulllinie gegangen?

Martin Schlegel: Wir haben heute die Zinsen gesenkt. Von 0.25 Prozent um 0.25 Prozentpunkte auf null. Mit diesem Schritt haben wir wieder angemessene monetäre Bedingungen in der Schweiz, so dass unser Mandat, die Preisstabilität in der mittleren Frist gewährleistet ist.

Mann im Anzug spricht und zeigt mit dem Finger.
Legende: Der oberste Währungshüter der Schweiz, SNB-Präsident Martin Schlegel, senkt den Leitzins auf 0.0 Prozent. Keystone / MICHAEL BUHOLZER

Und warum nicht unter null? Das wäre ja auch möglich gewesen.

Wir diskutieren natürlich immer mehrere Möglichkeiten im Direktorium und wir sind zum Schluss gekommen, dass dieser Schritt um diese 25 Basispunkte der richtige ist.

Martin Schlegel zur Frankenstärke

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Der Franken hat sich in den letzten Monaten insgesamt aufgewertet, insbesondere auch gegenüber dem US-Dollar. Auf die Wechselkurse wirken immer verschiedene Faktoren. Zum Beispiel die Nachfrage nach sicheren Häfen, aber eben auch die Zinsdifferenz. Die Zinsdifferenz ist ein wichtiger Faktor. Aber mit der Zeit können die verschiedenen Faktoren an Einfluss gewinnen und auch verlieren.

Geht es auch um die Botschaft, dass die SNB nicht leichtfertig mit schmerzenden Negativzinsen umgeht?

Wir würden die Zinsen nicht einfach so unter null senken in den negativen Bereich. Es ist uns bewusst, dass die Negativzinsen mit grossen Herausforderungen und Nebenwirkungen verbunden sind – sei es für Pensionskassen, die Sparer, aber auch am Immobilienmarkt.

Die Nationalbank hat kein Ziel, die Bankenprofitabilität zu sichern.

Das heisst, wir würden natürlich eine sorgfältige Abwägung machen. Und die Hürde, in den Negativbereich zu gehen, ist sicher höher.

An welche unerwünschten Begleiterscheinungen bei den Negativzinsen denken Sie besonders?

Die Bankenprofitabilität ist etwas, die im Allgemeinen im Tiefzinsumfeld unter Druck kommt. Die Nationalbank hat kein Ziel, die Bankenprofitabilität zu sichern. Aber die Profitabilität der Banken ist eben die erste Verteidigungslinie in Krisen.

Für Sparer ist es natürlich nicht attraktiv, falls man einen negativen Zins hätte auf dem Konto.

Deshalb ist es wichtig, dass Banken ein gutes Geschäftsmodell haben und in der langen Frist profitabel sind.

An die Altersvorsorge denken Sie auch?

Das ist natürlich auch ein Faktor. Gerade für Pensionskassen ist es in einem Tiefzinsumfeld schwierig, die nötige Rendite zu erzielen. Auch für Sparer ist es natürlich nicht attraktiv, falls man einen negativen Zins hätte auf dem Konto.

Seien wir aber ehrlich: Ganz weg ist die Option der Negativzinsen nicht. Sie drohen einfach weniger ostentativ mit der Negativzins-Keule. Kann man das so sagen?

Als Zentralbank können wir nie eine Massnahme ausschliessen. Aber eben: der Negativzins ist mit Herausforderungen verbunden – er ist mit negativen Nebenwirkungen verbunden. Und das würden wir sehr, sehr genau abwägen, falls wir Negativzinsen einführen müssten. Die Hürde ist höher, aber wir können nie irgendetwas ausschliessen.

Martin Schlegel zu den Nachwirkungen der CS-Pleite

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Die Nachwirkungen beobachtet die SNB genau. «Auf einer breiten Basis kann man sagen, dass die Kreditaggregate insgesamt in der Wirtschaft wachsen, auch die Hypotheken sind im Moment am wachsen,» so Schlegel. Aber es sei klar: Wenn eine so grosse Bank wie die Credit Suisse sich aus dem Markt verabschiede, gebe es eine Übergangsfrist, in der einzelne Kunden noch andere Kreditbeziehungen suchen. «Das führt dazu, dass es gewisse Friktionen im Markt gibt.» Insgesamt könne man sagen: Die SNB könne nicht beobachten, dass weniger Kredite vergeben werden und andere Banken seien in die Bresche gesprungen.

«In Einzelfällen haben gewisse Unternehmen jetzt vielleicht Mühe, eine neue Bank zu finden, die zu gleichen Konditionen die Kredite gibt, wie die CS. Das können wir nicht ausschliessen,» resümiert Schlegel.

Zur Konjunktur: Der Ausblick verdüstert sich tendenziell. Wir haben jetzt einen neuen Krieg in Nahost. Wir haben diesen Zollkonflikt mit US-Präsident Donald Trump. Wie beurteilen Sie das? Wie stark machen Sie sich jetzt Sorgen um die Konjunktur?

Die Konjunkturzahlen sind im Moment sehr schwierig zu interpretieren.

Ein Wachstum von 1 bis 1.5 Prozent ist sicher unter dem langfristigen Durchschnitt, aber es ist auch keine Rezession.

Wir gehen allerdings davon aus, dass für den Rest des Jahres dieser Zollkonflikt das Wachstum belasten wird.

Also das ist eigentlich keine gute Aussicht, oder?

1 bis 1.5 Prozent ist in diesem Sinne sicher unter dem langfristigen Durchschnitt. Aber es ist auch keine Rezession.

Das Gespräch führte Jan Baumann.

Echo der Zeit, 19.6.2025, 18 Uhr ; 

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