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Stärkung der Berufsbildung «Bachelor» bald auch an höheren Fachschulen?

Aktuell dürfen sich nur Absolventinnen und Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen als «Bachelor» oder «Master» ausweisen, jene von höheren Fachschulen aber nicht. Das will der Bundesrat nun ändern und einen Titelzusatz «Professional Bachelor / Master» einführen. Das freut nicht alle.

Nora Meuli

SRF-Wirtschaftsredaktorin

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Nora Meuli ist Wirtschaftsredaktorin und seit 2022 für Radio SRF tätig. Davor hat die Ökonomin an der Fachhochschule Nordwestschweiz geforscht (FHNW). Ihre Fachgebiete sind Ungleichheit, das System der sozialen Sicherheit und Arbeitsmarkt. 

Was erhofft man sich vom Titelzusatz «Professional Bachelor»?

Der Bundesrat will die Berufsbildung und die höheren Fachschulen stärken. Denn in den letzten Jahren ist die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der höheren Berufsbildung im Vergleich zu jenen der Fachhochschulen und Universitäten weniger stark gestiegen. Der neue Titel soll den höheren Fachschulen zu mehr Ansehen und Bekanntheit verhelfen. Zudem soll dank der englischen Ergänzung sofort klar sein, dass es ein tertiärer Abschluss ist. Gerade im angelsächsischen Raum sind Berufe wie «Pflegefachfrau» in der Regel in Unis angesiedelt und heissen dann «Bachelor».

Höhere Fachschule oder Fachhochschule – das ist der Unterschied

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Das Bildungssystem in der Schweiz ist anschlussfähig, das heisst für jeden Bildungsweg gibt es Möglichkeiten mithilfe von weiterführenden Schulen und Brückenangeboten zum nächsten Bildungsgang zu gelangen:

  • Höhere Fachschulen sind Schulen, die auf Personen mit einer abgeschlossenen Berufslehre ausgerichtet sind. Hier können sich die Fachkräfte weiterbilden, spezialisieren oder zur Führungsperson ausbilden lassen. Es gibt über rund 400 Lehrgänge, zum Beispiel zur Elektronikerin, zum Pflegefachmann oder zur Wirtschaftsprüferin. Meist sind ein Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis und Berufserfahrung auf dem entsprechenden Gebiet Voraussetzung. Die Dauer der Ausbildungen ist sehr unterschiedlich.
  • Fachhochschulen sind ebenfalls an Berufslehren anschlussfähig, sie setzen aber zusätzlich eine Berufsmaturität voraus. Diese kann entweder während der Lehre (BM1) oder nach abgeschlossener Lehre (BM2) erworben werden. Die Studiengänge sind stärker auf die Forschung und theoretische Kenntnisse ausgerichtet. Wie die Universitäten sind sie Teil des Bologna-Systems, entsprechend sind die Lehrgänge stärker standardisiert als jene der höheren Fachschulen.

Weiterführende Informationen gibt's zum Beispiel bei den Berufsberatungen.

Wie kommt das bei den Fachhochschulen und Unis an?

Die Fachhochschulen und Universitäten sind nicht wirklich glücklich mit dem Vorschlag. Der neue Titel erschwere die Abgrenzung zu den eigenen Abschlüssen. Die Fach­hoch­schul­absolventinnen und -absolventen befürchten zudem, dass die Berufsmatura an Stellenwert einbüsst. Neu könnten Studierende auch ohne Berufsmatura direkt nach der Lehre an einer höheren Fachschule einen «Bachelor» erlangen. Um an einer Fachhochschule zu studieren, benötigen Studierende dagegen eine Berufsmatura.

Sind die höheren Fachschulen mit dem Vorschlag einverstanden?

Jein, die höheren Fachschulen begrüssen den Vorschlag zwar grundsätzlich, sie würden sich aber lieber «Bachelor Professional» nennen statt eines Titelzusatzes – also dass Bachelor an erster Stelle ist, wie es bei den dualen Bildungssystemen in Deutschland und Österreich üblich ist und dass es wirklich ein vollwertiger Titel ist. Letztlich ist der Vorschlag des Bundesrats ein gutschweizerischer Kompromiss, denn der Titelzusatz «Professional Bachelor» ist eben nicht gleichlautend wie die Titel «Bachelor of Arts/Science (...)» der Fachhochschulen und Universitäten. Dennoch ist es eine Angleichung der Titel.

Studierende der Accademia di Architettura in einem Hörsaal.
Legende: Studierende der Accademia di Architettura – bald sollen sich auch Studierende der höheren Fachschulen «Bachelor» nennen dürfen. Keystone / Gaetan Bally

Was würde die Änderung für den Arbeitsmarkt bedeuten?

Eine Stärkung der höheren Berufsbildung heisst, dass mehr qualifizierte Berufsfrauen und -männer ausgebildet werden. Spezialisierte, praxisnahe Fachkräfte sind gefragt. Im Gegensatz dazu vermittelt eine Matura und ein Studium an einer Fachhochschule oder Universität mehr Allgemeinwissen und Kompetenzen, die dabei helfen, sich auch bei grösseren Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt anzupassen. Aber viele Studierende müssen sich die berufspraktischen Fertigkeiten während oder dann nach dem Studium erwerben. Der Arbeitsmarkt braucht beides.

Wie stehen die Chancen für den neuen Titel im Parlament?

Die Idee ist schon mehrmals im Parlament gescheitert. Im März 2025 haben aber alle Fraktionen im Nationalrat Motionen zum selben Thema eingereicht, eine Klärung der Titelfrage wird offenbar erwartet. Eigentlich weitgehend unbestritten ist das duale Bildungssystem in der Schweiz. Der Wunsch der höheren Fachschulen nach mehr Sichtbarkeit wird auch von den Universitäten anerkannt. Es ist also noch völlig offen. Das Parlament wird die Gesetzesänderung in einer der kommenden Sessionen behandeln, wann genau ist offen.

Rendez-vous, 2.5.2025, 12:30 Uhr ; 

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