Eine neue Studie geht den Gründen für die Zunahme des Kapitalbezugs bei der Pensionskasse nach. Der Zeitpunkt kommt nicht von ungefähr. Heute kommt man mit einem Kapitalbezug bei den Steuern besser weg als mit der Rente. Der Bundesrat hat einen Vorschlag unterbreitet, um diese Privilegierung abzuschaffen. Demnächst endet die Vernehmlassung. Welche Gründe als massgeblich hinter der Entwicklung angesehen werden, ist hochpolitisch und hat auch mit Interessen zu tun.
Welche Möglichkeiten haben frisch Pensionierte, um ihr Pensionskassengeld zu beziehen?
Der Standard ist, dass sie das Angesparte als lebenslange Rente beziehen. Neurentner und -rentnerinnen können sich ihr Kapital aber auch auszahlen lassen oder eine Mischform aus beiden Varianten wählen. Lange Zeit hat die überwiegende Mehrheit der Pensionierten die Rente gewählt. Es ist ein Abwägen: Will ich die sichere Rente oder lieber selber entscheiden, wie ich das Geld verwende? Seit rund zehn Jahren steigt der Anteil der Leute, die das Pensionskassenguthaben beziehen. Mittlerweile gibt es mehr Pensionierte, die den reinen Kapitalbezug wählen als solche, welche nur die Rente wählen.
Warum wählen mehr Pensionierte Kapital statt Rente?
Es gibt drei Hauptgründe: Erstens, der Wunsch nach mehr Autonomie und Freiheit bei der Verwendung des Angesparten. Wer sich das Kapital auszahlen lässt, kann darüber verfügen, trägt aber auch das Risiko. Für jene, die eine Rente beziehen, legt die Pensionskasse das Geld an. Ein zweiter möglicher Grund sind die gesunkenen Umwandlungssätze, das heisst, dass die Pensionierten weniger Rente pro angespartem Franken erhalten. Das macht den Kapitalbezug attraktiver. Der dritte Grund sind steuerliche Überlegungen: Auf dem Kapitalbezug bezahlen Rentner und Rentnerinnen langfristig weniger Steuern als auf der Pensionskassenrente. Ein weiterer Grund ist, dass Geldanlegen einfacher geworden ist.
Welcher Grund steht laut Studie im Zentrum?
Das VZ Vermögenszentrum sagt, die gesunkenen Umwandlungssätze seien hauptverantwortlich - und nicht steuerliche Überlegungen. Das VZ ist aber nicht vollkommen unabhängig. Die Finanzbranche und die Beratungsunternehmen haben ein Interesse daran, dass das Steuerprivileg nicht gekippt wird. Denn jene, die sich ihr Kapital auszahlen lassen, sind mögliche Kunden und Kundinnen. Der Zeitpunkt für die Publikation der Studie ist wohl nicht zufällig gewählt – die Vernehmlassung des Bundes zur Abschaffung der Steuerprivilegien endet bald. Auch andere Akteure, zum Beispiel die Pensionskassen haben sich geäussert. Sie fürchten, dass das Vertrauen in die berufliche Vorsorge schwinden würde, wenn man plötzlich die Spielregeln ändert.
Was sind die Folgen, wenn mehr Menschen ihr Geld als Kapital beziehen?
Wenn immer mehr Menschen ihr Angespartes aus der Pensionskasse herausnehmen, stellt dies das Selbstverständnis und die Legitimation der Pensionskassen ein stückweit in Frage: Es ist ja eigentlich die Hauptaufgabe der Pensionskasse, dafür zu sorgen, dass Rentner und Rentnerinnen bis zum Tod ein Auskommen haben. Das ist auch das sozialpolitische Risiko, wenn mehr Leute Kapital beziehen. Beim Kapitalbezug trägt der Einzelne das Anlagerisiko. Wenn er oder sie aber das Geld aufgebraucht hat, kommt letztlich der Sozialstaat für die Person auf.