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Arabica-Kaffee: Klimawandel bedroht Plantagen
Aus Trend vom 11.01.2020. Bild: Keystone
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Suche nach neuen Sorten Der Klimawandel setzt dem Kaffee zu

Rund zehn Millionen Tonnen Kaffee werden pro Jahr geerntet, zwei Milliarden Tassen Kaffee täglich getrunken. Doch der Rohstoff könnte ausgehen. Denn Studien zeigen, dass der Klimawandel den Plantagen arg zusetzt. Es braucht rasch neue Lösungen.

Aaron Davis ist oft dort, wo das Gelände unwegsam ist: in den Urwäldern Afrikas und Asiens, auf der Suche nach seltenen oder vergessenen Kaffeesorten. Davis ist oberster Kaffee-Forscher in den «Royal Botanic Gardens» von Kew, den königlichen botanischen Gärten im Südwesten Londons.

Ansicht der königlichen botanischen Gärten in Kew, im Südosten von London.
Legende: In den «Royal Botanic Gardens» wird die Kaffee-Zukunft erforscht. Reuters

20 Jahre lang hat Davis Daten gesammelt, Kaffeepflanzen in Ländern rund um den Globus gesucht, analysiert und kartiert. Sein Fazit dieser Feldforschung stimmt nachdenklich: 60 Prozent der insgesamt 124 weltweit bekannten Kaffeesorten sind durch den Klimawandel akut gefährdet und könnten ausgerottet werden.

Artensterben gefährdet Kaffeegeschäft

Auch wenn die meisten dieser Sorten derzeit kaum angebaut werden, habe ein solches Artensterben unweigerlich Auswirkungen auf das Milliardengeschäft mit Kaffee, ist Forscher Davis überzeugt.

Derzeit würden weltweit vor allem die Sorten Arabica und Kanefora, letztere bekannt auch als Robusta, im grossen Stil angebaut: «Wir trinken die zwei Sorten seit mehreren Jahrhunderten und sie haben uns einen grossen Dienst erwiesen. Nun kommen wir aber in eine Zeit mit verstärktem Klimawandel. Und es ist eher unwahrscheinlich, dass sie unseren Bedürfnissen entsprechen werden, um die weltweite Kaffee-Produktion zu sichern», sagt Davis.

Kanefora oder Robusta?

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Legende: Keystone

Mit gegen 70 Prozent wird weltweit am meisten Arabica-Kaffee angebaut. 30 Prozent sind Kanefora oder Robusta-Bohnen. Die Bezeichnung Robusta sei zwar weit verbreitet, aber eigentlich falsch, sagt Kaffee-Kenner Steffen Schwarz. Sie habe sich durchgesetzt, weil sie unserem Sprachgebrauch eher entspreche und weil die Sorte tatsächlich robuster sei gegen Umwelteinflüsse, zum Beispiel den Kaffeerost: «Korrekt ist Robusta eine Varietät der Kanefora-Bohnen, ähnlich wie ein Old Paradenia oder ein Conillon».

Das Problem sei, dass der Arabica-Kaffee – er macht gegen 70 Prozent der weltweiten Kaffeeproduktion aus – nur in kühlen tropischen Waldklimata gedeihe. Diese Gegenden würden durch den Klimawandel allerdings immer wärmer und trockener. Die Pflanzen hätten immer häufiger Schädlinge, die vorher nie Probleme gemacht hätten.

Alte Sorten als Lösung

Die Lösung sieht der Forscher weniger bei neuen Kreuzungen mit bekannten Sorten. Man solle auf andere trinkbare, aber allenfalls vergessene Kaffee-Sorten ausweichen, die sich besser an die neuen klimatischen Bedingungen anpassen könnten.

Es wäre schlecht, in drei Jahrzehnten feststellen zu müssen, dass alte Sorten ausgerottet sind, sie aber gewisse Resistenzen gegenüber Schädlingen gehabt hätten.
Autor: Aaron Davis Kaffee-Forscher, Royal Botanic Gardens Kew

Doch ein grosses Problem neben dem Klimawandel ist die Abholzung der Regenwälder, dem Lebensraum der wilden Kaffeesorten. Verschwindet der Wald, werden auch sie ausgelöscht – und damit gehe wertvolles Genmaterial verloren, sagt der Kaffee-Forscher. «Es ist schlecht, in drei Jahrzehnten feststellen zu müssen, dass eine Sorte ausgerottet ist, sie aber gewisse Resistenzen gegenüber Schädlingen gehabt hätte», erklärt Aaron Davis. Deshalb will er einerseits diese wilden Sorten in den «Royal Botanic Gardens» pflanzen. Andererseits diese aber auch in ihrer angestammten Umgebung, den Regenwäldern, besser schützen.

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Aus Reporter vom 06.10.2019.
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Kreuzungen als Lösung

Eine Kopie der Glaskuppeln der «Royal Botanic Gardens» steht in Stuttgart. König Wilhelm I. von Württemberg hatte sie – die Wilhelma – seiner Zeit nach englischem Vorbild anlegen lassen. Und auch in Stuttgart wird Kaffee-Forschung betrieben – derzeit noch unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit.

Björn Schäfer ist der Leiter des Bereichs Botanik. Er verfolgt einen anderen Forschungsansatz als seine Kollegen in London. Statt auf die 124 wilden Kaffeesorten setzt er auf Kaffeevarietäten – das heisst auf Kreuzungen oder Hybride. «Das sind die Sorten, die beim Bauern im Hinterhof mit den Jahren gewachsen sind». Deren Vorteil: Sie würden oft schon gewisse Resistenzen aufweisen. Diese aus dem Genpool wilder Sorten nachzuzüchten, sei schwierig, erklärt Schäfer: «Auch von denselben Eltern kriegen Sie nie die gleichen Kinder.»

Die Wilhelma sammelt Saatgut von Bauern rund um den Globus und zieht die Pflanzen in ihren Gewächshäusern gross. Die jungen Pflänzchen genau zu bestimmen, ist eine besondere Herausforderung. «Das Saatgut kommt oft nur ungenügend beschriftet bei uns an. Aus Brasilien haben wir auch unbeschriftete Samen in Unterhosenverpackungen erhalten». Unterstützung erhält Schäfer von Kaffee-Kenner Steffen Schwarz. Dieser hat etliche Anbauländer bereist und analysiert seit Jahren Kaffeepflanzen und deren Früchte.

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aus Echo der Zeit vom 12.05.2018. Bild: Klaus Ammann
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Verlust der Anbaufläche durch Klimawandel

Auch für Steffen Schwarz ist der Klimawandel eine grosse Bedrohung des bestehenden Kaffeegeschäfts. «Glaubhafte Studien gehen davon aus, dass bis zu 75 Prozent der bestehenden Anbaufläche verloren geht». Diese zu verlagern, sei allerdings schwierig.

Studien gehen davon aus, dass bis zu 75 Prozent der bestehenden Anbaufläche verloren geht.
Autor: Steffen Schwarz Kaffee-Experte, Coffe Consulate Mannheim

Die Wilhelma in Stuttgart will nun mit Unterstützung von Kaffee-Experte Schwarz eine Art lebende Kaffee-Datenbank aufbauen. Bauern, die ihr Saatgut eingeschickt haben, könnten jederzeit wieder Stecklinge ihrer Sorte in Stuttgart beziehen. Es stehe ihnen aber auch offen, eine andere Varietät aus einer anderen Weltregion zu bestellen – jene Pflanzen, die für die veränderten Umweltbedingungen allenfalls besser geeignet sind.

Intensivierung als Lösung

Nicht nur botanische Gärten suchen neue, resistentere Kaffeepflanzen, sondern auch Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé, einer der grössten globalen Verarbeiter und Händler von Kaffee. «Es gibt mehr extreme Wetterereignisse und höhere Temperaturen. Das schafft zusätzliche Probleme mit Schädlingen. Bedingungen, die für bestehende Sorten eine grosse Herausforderung sind», bestätigt Marcelo Burity, Chef der Abteilung Rohkaffee-Entwicklung. Aufgrund dieser klimatischen Verschiebung werde es künftig weniger Anbaufläche für Kaffee geben. Gleichzeitig wachse der Konsum von Kaffee bis in 20 Jahren um 50 Prozent.

Wir haben in unseren Labors verschiedene Varietäten gezüchtet, die bereits im Versuchsstadium sind – und ebenso Varietäten für die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte in Arbeit.
Autor: Marcelo Burity Chef Rohkaffee-Entwicklung, Nestlé

Burity will dieses Nachfrage-Problem mit verdichteten Plantagen lösen. Mehr Ertrag auf weniger Fläche sei mit neuen Anbaumethoden und neuen Varietäten von Arabica und Kanefora-Pflanzen möglich. «Wir haben in unseren Labors verschiedene Varietäten gezüchtet, die bereits im Versuchsstadium sind – und ebenso Varietäten für die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte in Arbeit», ist der Nestlé-Mann zuversichtlich. Weniger nachhaltig sei der Anbau von Kaffee so auch nicht.

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Arabische Lehnwörter
aus 100 Sekunden Wissen vom 27.12.2016. Bild: Keystone
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Vieles hängt am Kaffee

So unterschiedlich die Ansätze zur Rettung des Kaffee-Geschäfts sind: Das Ziel beschränkt sich nicht darauf, die tägliche Tasse Kaffee auch in Zukunft zu sichern. Vielmehr hängt die Existenz von 100 Millionen Menschen weltweit vom Kaffeeanbau ab.

Kaffee sei ein ideales Beispiel, um die Folgen aufzuzeigen, wie Klimawandel oder die Abholzung von Regenwäldern die Artenvielfalt und damit direkt auch unsere Nutzpflanzen und damit unsere Lebens- und Heilmittel gefährden, resümiert Aaron Davis von den «Royal Botanic Gardens» in London: «Die Welt braucht Pflanzen. Wenn man die Artenvielfalt nicht schützt, gibt es bald auch keine Menschen mehr.»

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