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Thomas Jordan im Interview «Die Schweizerische Nationalbank ist kein Währungsmanipulator»

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hält an der expansiven Geldpolitik mit Negativzinsen und Interventionen fest. Wie lange geht das noch gut? Thomas Jordan weiss es selber nicht, wo er sich in diesem schwierigen Marathonlauf befindet. Die Unsicherheit dominiert - auch wegen der kommenden Wahlen.

SRF News: Herr Jordan, trotz Ihrer expansiven Geldpolitik ist der Schweizer Franken immer noch überbewertet. Weshalb?

Thomas Jordan: Der Schweizer Franken ist ein sicherer Hafen. Solange Unsicherheit in der Welt herrscht, ist der Schweizer Franken gesucht – und im Moment haben wir eine politische Unsicherheit in Europa. Deshalb haben wir Druck auf den Franken.

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Das nächste grosse politische Ereignis sind die Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Welche Folgen hätten die Wahl von Marine le Pen und eine europafeindliche Regierung in Paris?

Es ist schwierig, genau zu prognostizieren, was passieren wird. Aber man kann sicher davon ausgehen, dass der Druck auf den Euro, auf die Eurozone insgesamt und auf die europäische Union entstehen wird – und das wird den Franken eher stärken als schwächen.

Wäre es dann denkbar, noch intensiver am Devisenmarkt zu intervenieren oder die Zinsen noch mehr zu senken?

Wir haben bei beiden Instrumenten noch Potenzial – für den Fall – dass dies notwendig wird. Sowohl bei den Zinsen als auch bei den Interventionen haben wir noch Spielraum.

Es kann natürlich Phasen oder Jahre geben, in denen wir einen Verlust machen – und in diesen Jahren können wir keine Gewinne an Bund und Kantone ausschütten.

Aus den Sichtguthaben der Schweizerischen Nationalbank ist ersichtlich, dass die SNB in den letzten Wochen am Devisenmarkt mehr intervenieren musste als nach dem «Brexit», der Trump-Wahl und nach der Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses. Ist die aktuelle Lage noch fragiler als damals?

Der Unterschied ist, dass in der heutigen Situation insbesondere die Eurozone im Vordergrund steht. Bei Trump war es vor allem die Bewertung des Dollars, beim Brexit die Bewertung des Pfundes – und dieses Jahr sind die Wahlen in Frankreich ein ganz wichtiges Ereignis. Dort ist unklar, ob es zu einer Änderung in der Politik kommen wird, insbesondere in Bezug auf Europa. Und das kann natürlich auch eine Auswirkung auf den Wert des Euros haben. Aber es geht nicht nur um Frankreich. Wir beobachten auch eine bestimmte Instabilität in Italien – und wir haben auch noch die Wahlen in Deutschland, die dazu beitragen, dass im Moment eine erhöhte politische Unsicherheit vorherrscht.

Wie lange kann diese expansive Geldpolitik noch gut gehen?

Das kommt darauf an, wie sich die Wirtschaft entwickelt. Die aktuelle Geldpolitik hat dazu geführt, dass die Wirtschaft überall wieder besser geworden ist. Wir sehen das sehr stark in den USA. Aber auch in Europa hat das Wachstum wieder angezogen und auch die Inflation ist wieder etwas höher geworden. Sobald die Inflation hier ein bestimmtes Niveau erreicht hat und auch die Wirtschaft in Europa in Richtung Vollbeschäftigung geht, muss die Geldpolitik wieder überall normalisiert werden.

Die Schweizerische Nationalbank ist kein Währungsmanipulator.

Wenn wir das mit einem Marathon vergleichen, der 42 Kilometer dauert, bei welchem Kilometer stehen wir jetzt?

Das ist schwierig zu sagen. Vielleicht sind wir bei Kilometer 41, vielleicht sind wir erst ganz am Anfang. Das ist etwas, wo die Unsicherheit sehr gross ist. Und wir wurden in der Vergangenheit immer wieder überrascht, dass die Krise nicht zu Ende ist und davon, dass neue Störungen aufgetreten sind.

Wenn man sich das Verhältnis von Devisenreserven zum BIP anschaut, befinden wir uns in ganz anderen Verhältnissen als überall sonst auf der Welt. Welche Gefahren birgt das?

Wir haben eine sehr grosse Bilanz und diese ist zu Marktpreisen bewertet. Je nach dem, wie sich diese Marktpreise bewegen, können wir grosse Gewinne, aber auch grosse Verluste realisieren. Für die unmittelbare Umsetzung der Geldpolitik birgt das keine Risiken. Aber es kann natürlich Phasen oder Jahre geben, in denen wir einen Verlust machen – und in diesen Jahren können wir keine Gewinne an Bund und Kantone ausschütten.

Wir haben selber festgestellt, dass der Appetit der Schweizer, ihr Geld im Ausland anzulegen, in der Krise sehr stark zurückgegangen ist.

Manche befürchten, die Schweiz könnte auf eine US-Liste von Währungsmanipulatoren aufgenommen werden. Haben Sie schon solche Signale vernommen?

Die Nationalbank ist kein Währungsmanipulator. Mit unseren Interventionen schützen wir uns vor einer massiven Überbewertung des Frankens. Und wir haben das im Dialog mit den Amerikanern bis jetzt immer sehr gut erklären können. Die Amerikaner haben diese Liste, die sie führen müssen. Aber das Einvernehmen zwischen der USA und der Schweiz war diesbezüglich bis jetzt immer sehr gut.

Eine Studie kommt zum Schluss, dass es die Schweizer sind, die ihr Geld nicht ins Ausland bringen, sondern dieses in der Schweiz anlegen und damit den Franken stärken. Teilen Sie diese Meinung?

Wir haben selber festgestellt, dass der Appetit der Schweizer, ihr Geld im Ausland anzulegen, in der Krise sehr stark zurückgegangen ist. Das gilt für Private aber auch für Institutionelle. Gelder wurden aus dem Ausland zurückgeholt. Geld, das durch Exporte verdient worden ist, wurde auch zurückgeholt und nicht mehr im Ausland angelegt – und das führt dazu, dass sich der Druck auf den Franken verstärkt.

Das Interview führte Andreas Kohli.

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