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Twitter-Übernahme Was wird Elon Musk aus Twitter machen?

Nach dem Kauf von Twitter durch den reichsten Mann der Welt gibt es noch viele Fragezeichen. Elon Musk wird nicht alle Regeln ändern können, sagt Kommunikationswissenschafter Wolfgang Schweiger von der Universität Hohenheim in Stuttgart.

Wolfgang Schweiger

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Wolfgang Schweiger ist seit 2013 Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt interaktive Medien- und Onlinekommunikation an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Er forscht unter anderem zu den sozialen Medien.

SRF News: Twitter soll «warm und einladend für alle» sein, eine Plattform ohne Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit. Kann das gleichzeitig funktionieren?

Wolfgang Schweiger: Musk hat viel gut klingende Worte an die Werbekunden von Twitter geschrieben. Es ist fraglich, ob das alles zusammenpasst. Ich habe den Eindruck, dass er in der Welt der sozialen Plattformen noch nicht wirklich angekommen ist. Auch wenn er mit über hundert Millionen Followern einer der erfolgreichsten Twitterer ist.

Wie steht es aktuell um die Meinungsäusserungsfreiheit bei Twitter?

Die rechte Seite kritisiert, dass Ex-Präsident Trump und einige andere gesperrt sind. Musk kündigte vor Monaten an, dass er Trump wieder freischalten werde. Ansonsten ist Twitter eine Social-Media-Plattform wie alle anderen. Mit dem Unterschied, dass sie nicht rentabel und eine Eliten-Plattform mit Akteuren vor allem aus Öffentlichkeit, Politik und Medien ist.

Wie wichtig ist Musk die Rentabilität von Twitter?

Musk ist in erster Linie Unternehmer und hat Twitter wohl aus einer gewissen Laune heraus gekauft. Schlichtweg, weil er es kann. Ich gehe davon aus, dass er nun nicht nur der Öffentlichkeit etwas Gutes tun, sondern sich auch als genialer Medienunternehmer beweisen will. Mit einer Plattform, die auch Geld verdient.

Musk will das Personal massiv reduzieren. Wird des auf Kosten der Kontrollmechanismen, etwa gegen Hassrede, gehen?

Der angekündigte Stellenabbau erscheint mir zurzeit unrealistisch. Das grosse Problem aller Social-Media-Plattformen ist die Kontrolle. Dafür braucht man Menschen, denn die künstliche Intelligenz reicht dafür noch nicht. Gleichzeitig gab es Aussagen, Twitter könnte zu einer Multifunktionsplattform à la WeChat in China umgebaut werden, die unter anderem Produktverkäufe und Zahlungen ermöglicht. Dies würde Twitter total verändern. Es ist vorstellbar, dass Musk das im Sinn hat, doch das würde mindestens ein bis zwei Jahre dauern.

Sie bezeichnen Twitter als Eliten-Plattform. Ist das der einzige Unterschied zu anderen sozialen Medien?

Zumindest im deutschsprachigen Raum wird sie dezidiert so genutzt. «Normale» Menschen sind kaum auf Twitter unterwegs, sondern eher jene, die in der Öffentlichkeit stehen. In den USA ist das nicht so ausgeprägt. Aber schon der Umstand, dass Musk die Plattform nutzt und Trump die Sperre als riesigen Verlust seiner Öffentlichkeitswirksamkeit wahrgenommen hat, sind klare Zeichen.

Welchen Einfluss hat Twitter auf die öffentliche Meinung?

Vielleicht gar nicht so unmittelbaren wie beispielsweise Facebook. Was getwittert wird, kriegen gar nicht so viele «Normalmenschen» mit. Aber es wird von den Medien sehr stark beachtet und dann aufgegriffen.

Kann Elon Musk nun den Inhalt von Twitter nach seinem Gusto steuern?

Nein. Aber er kann die Regeln verändern und etwa gesperrte Leute wieder zulassen. Er könnte fordern, dass Fake News oder Hassrede wieder weniger reguliert werden. Allerdings stehen diese Plattformen heute durchaus unter staatlicher Regulierung und können nicht beliebig alles tun. Kurzfristig dürfte sich bei Twitter nicht viel ändern. Mittel- und langfristig halte ich den Umbau zu einer Multifunktionsplattform für möglich.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 28.10.2022, 18:00 Uhr ; 

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