Zum Inhalt springen

Überleben in der Nische Xing versucht die Flucht nach vorn

Die deutschsprachige Business-Plattform sucht neue Wege. Sie setzt auf den umkämpften Markt der Jobvermittlung.

Die Gruppen zum Austausch sind weg. Das persönliche Netzwerk der User und Userinnen ist versteckt. Die Startseite von Xing hat sich vom «Facebook für den Berufsalltag» zu einem Job-Vermittlungsportal verwandelt.

Und genau das will die Business-Plattform in Zukunft sein. Geschäftsführer Thomas Kindler sagt im Interview mit SRF: «Aufgrund des demografischen Wandels glauben wir ganz fest daran, dass aus dem Arbeitgeber- ein Arbeitnehmermarkt wird.» Xing wolle «Unternehmen transparent machen, sodass Arbeitnehmer jeden Tag aussuchen können, in welchem Unternehmen sie in Zukunft arbeiten wollen.»

Was dabei helfen soll: Die Plattform Kununu, die zur selben Muttergesellschaft New Work in Hamburg gehört. Auf Kununu bewerten Angestellte ihre Unternehmen. Diese Meinungen fliessen in das neue Xing ein.

So ist Xing entstanden

Box aufklappen Box zuklappen

Jungunternehmer Lars Hinrichs gründete 2003 die Plattform Open BC. Ab 2006 firmierte sie unter dem Namen Xing und ging an die Börse.

Es folgen Übernahmen, etwa des Bewertungsportals Kununu (2013). Ab 2019 heisst das Unternehmen New Work, und Xing ist eine ihrer Marken.

Seit rund drei Jahren sinkt der Aktienkurs grösstenteils. Er ist in diesem Sommer auf den tiefsten Stand seit 2014 gefallen.

Xing bzw. New Work, einst als Unicorn mit mehr als 1 Milliarde Börsenwert gehandelt, ist heute noch rund 500 Millionen Euro wert.

Xing hat nach eigenen Angaben 22 Millionen Mitglieder. Gegen die übermächtige Konkurrenz von Linkedin kommt das Portal auf die Dauer nicht an. Während sich Xing immer auf den deutschsprachigen Markt konzentriert hat, ist Linkedin weltweit aktiv und gibt 850 Millionen Mitglieder an.

Personalexperte Matthias Mölleney sagt, die Neuausrichtung von Xing habe viel mit dieser Konkurrenz zu tun: «Ich glaube schon, dass Xing gemerkt hat: In diesem Austausch, diesem Netzwerken ist Linkedin eben wirklich führender, weil sie internationaler sind.»

Thomas Kindler von Xing sagt, Linkedin mache einen guten Job, könne ihnen aber im Recruiting nicht das Wasser reichen: «Ein Arbeitsmarkt ist immer lokal. Trotz Homeoffice-Boom wird es aus steuerlichen, politischen und persönlichen Gründen immer ein eher lokaler Markt bleiben. Sich darauf zu spezialisieren und die relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen, damit können wir uns differenzieren – auch gegenüber Linkedin.»

Persönliche Ansprache führt heute zum Ziel

Ob Xing mit der neuen Strategie Erfolg haben wird, will Matthias Mölleney nicht beurteilen. Mölleney leitet das Center for Human Resources Management & Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Viele Anbieter arbeiteten derzeit daran, Bewerber und Bewerberinnen möglichst spezifisch anzusprechen.

Jene Plattformen, denen die Jobsuchenden die genausten Daten anvertrauten, hätten die grössten Chancen. Matthias Mölleney: «Die Voraussetzung ist, dass Sie und ich – wir alle – top aktuelle Profile hinterlegt haben, in denen alles genau drinsteht. Denn nur das kann das System verarbeiten. Es kann ja nicht erfassen, was ich von mir weiss, aber nicht preisgebe.»

Rückläufige Zahlen

Die Medienstelle von New Work schreibt von einer erfreulichen Entwicklung bei den Mitgliedern über die vergangenen 20 Jahre. Allein in der Schweiz sollen sich jährlich rund 75'000 Mitglieder neu registrieren.

Die kostenpflichtigen Mitgliedschaften sind in diesem Jahr um 16 Prozent zurückgegangen. Laut Mitteilung habe man das angesichts der Neuausrichtung erwartet.

Nach einem positiven Ergebnis 2022 hat das Mutterunternehmen New Work für das erste Halbjahr 2023 rückläufige Umsätze und Gewinne kommuniziert.

Schon im März hatte New Work mitgeteilt, 68 Angestellte zu entlassen. Der Sparrunde fielen auch die sieben Angestellten des Büros in Zürich zum Opfer. Der Schweizer Markt wird nun hauptsächlich aus München betreut.

Tagesschau, 30.9.2023, 19:30 Uhr

Meistgelesene Artikel