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Umstrittene Industriepolitik Stahl Gerlafingen setzt auf Hilfe vom Staat

Nach Monaten der Ungewissheit ist nun klar: Stahl Gerlafingen wird finanzielle Unterstützung vom Staat beantragen. Das eidgenössische Parlament hat im Dezember beschlossen, dass der Bund vier Stahl- und Aluminiumherstellern in der Schweiz finanziell unter die Arme greifen kann.

Damian Rast

Wirtschaftsredaktor

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Damian Rast arbeitet seit 2013 bei Radio SRF, zuerst als Nachrichtenredaktor und Moderator, dann als Produzent und Moderator der Informationssendung Info 3. Anschliessend war er fünf Jahre Produzent beim Echo der Zeit, nun ist er als Wirtschaftsredaktor tätig.

Weshalb schreibt Stahl Gerlafingen seit Jahren rote Zahlen?

Das hat unterschiedliche Gründe. Einer ist die schwächelnde Nachfrage. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Baustahl – das Spezialgebiet von Stahl Gerlafingen – in anderen Ländern deutlich günstiger hergestellt werden kann als in der Schweiz. Die schwächelnde Konjunktur in der Eurozone, insbesondere in Deutschland, und der starke Franken verschlechtern die Situation zusätzlich. Ein weiterer Grund für die Verluste sind die hohen Energiepreise: Das Stahlwerk schmilzt Schrott und formt damit neue Produkte. Der Schmelzprozess im Lichtbogenofen braucht enorm viel Strom und ist entsprechend teuer.

Auch Handelskonflikt belastet Stahl Gerlafingen

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US-Präsident Donald Trump hat bereits während seiner ersten Amtszeit Zölle auf Stahl und Aluminium in der Höhe von 25 Prozent erhoben. Die EU reagierte damals mit Gegenmassnahmen. Konkret mit sogenannten Importkontingenten. Ist ein Kontingent aufgebraucht, fällt auf die weitere Importe in die EU ein hoher Zusatzzoll an. Vor allem diese Gegenmassnahmen brachten Stahl Gerlafingen in Schwierigkeiten. Laut dem Unternehmen wurde dadurch der Export von bestimmten Stahlsorten in die EU praktisch unmöglich. Unter anderem deshalb schloss das Unternehmen im Frühling 2024 auch eine Produktionsstrasse.

Was sieht das Hilfspaket des Bundes vor?

Die zwei Stahlhersteller aus Gerlafingen und Emmenbrücke sowie die Aluminiumhersteller Novelis und Constellium im Wallis sollen einen Rabatt auf die Nutzung des Stromnetzes beantragen können. Dieser Rabatt ist auf vier Jahre begrenzt und nimmt jährlich ab. Voraussetzung für die Hilfe des Bundes ist, dass sich auch die Standortkantone daran beteiligen. Die Solothurner Kantonsregierung will das tun und hat einen Betrag von 4.5 Millionen Franken in Aussicht gestellt, wie sie gegenüber SRF mitgeteilt hat. Dem muss allerdings noch das Kantonsparlament zustimmen und – falls das Referendum ergriffen wird – auch das Solothurner Stimmvolk. Wiederum soll der Bund nochmals 4.5 Millionen Franken beisteuern.

Weshalb hat es so lange gedauert, bis Stahl Gerlafingen entschieden hat, ein Gesuch einzureichen?

In seiner Mitteilung äussert sich Stahl Gerlafingen nicht zu dieser Frage. Klar ist, damit die Stahl- und Aluminiumwerke vom Rabatt für die Stromnutzung profitieren können, müssen sie verschiedene Auflagen erfüllen: Sie müssen garantieren, dass sie den Produktionsstandort erhalten, sie müssen einen Fahrplan für die CO₂-Reduktion erstellen und dürfen keine Dividenden an die Eigentümer auszahlen. Auch muss das Management auf Boni verzichten. Das sind einschneidende Auflagen, welche Stahl Gerlafingen sicher sorgfältig abwägen wollte.

Sind die Probleme der Stahlwerke mit diesen Überbrückungshilfen gelöst?

Nein, die Rabatte bei den Stromkosten sind für Stahl Gerlafingen im besten Fall eine Verschnaufpause. Ob das Unternehmen längerfristig überleben kann, ist offen. Die Grundprobleme – schwache Konjunktur, Überkapazitäten beim Stahl, günstigere Konkurrenz aus dem Ausland und hohe Energiekosten – bleiben bestehen. Die Frage ist jetzt, ob es dem Unternehmen gelingt, eine Strategie zu entwickeln, die Zukunft hat.

Weshalb ist die Unterstützung der Stahlwerke politisch stark umstritten?

Kritiker argumentieren, dass die Unterstützung Präzedenzfälle und Begehrlichkeiten anderer Unternehmen schaffe. Ausserdem befürchten Kritiker, dass durch die Hilfe eine Branche künstlich am Leben gehalten wird, die in der Schweiz keine Zukunft hat und die auch nicht systemrelevant sei.

Die Befürworter der Staatshilfe verweisen darauf, dass die Hilfe nur befristet ist und man damit Zeit gewinne, eine dauerhafte Lösung zu finden. Ihnen geht es um den Erhalt von hunderten Arbeitsplätzen. Sie argumentieren auch mit der Versorgungssicherheit der Schweiz und mit dem Umweltschutz.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 20.5.2025, 17:30 Uhr ; 

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