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Umstrittener Edelmetall-Import Russengold kommt über die Grenze, aber keiner will's gewesen sein

Der Zoll verzeichnet im Mai erstmals seit Kriegsausbruch in der Ukraine wieder die Einfuhr von russischem Gold. Der Importeur? Ein Rätsel.

Rund drei Tonnen russisches Gold im Wert von 194 Millionen Franken tauchen im Mai in der Zollstatistik auf – warum ist das bemerkenswert? Trotz Sanktionen ist die Einfuhr von russischem Gold in die Schweiz und auch in die EU zwar legal. Aber: Der Handel von nach dem 7. März produzierten Schmelzprodukten (Edelmetalle in Barrenform) ist verboten. Denn die globale Handelsplattform «London Bullion Market Association» (LBMA) hat im März entschieden, die russischen Raffinerien von der Liste der zertifizierten Produktionsbetriebe zu nehmen. Im März und April importierte die hiesige Branche kein Gramm russisches Gold.

Wer kommt grundsätzlich als Abnehmer von importiertem Edelmetall zur Raffination – zur weiteren Verarbeitung – infrage? Unter anderem die fünf Schweizer Raffinerien, die dem internationalen Standard der LBMA angehören. Laut Schätzungen dürften in den Raffinerien im Tessin und in der Westschweiz rund 40 Prozent des weltweit geschürften Goldes verarbeitet werden. WWF Schweiz spricht gar von bis zu 70 Prozent.

Vier dieser Unternehmen gehören laut WWF zu den weltweit sieben grössten Gold-Raffinerien: Argor Heraeus, Metalor, MKS Pamp und Valcambi.

Weiterführende Informationen

Wo könnte das russische Gold gelandet sein? Von den fünf Raffinerien heisst es auf Anfrage unisono, man importiere aktuell kein Gold aus Russland. Auch der Verband der Schweizer Edelmetallindustrie hält fest: Von seinen 14 Mitgliedern, die für 100 Prozent des in der Schweiz geschmolzenen und raffinierten Edelmetallvolumens sorgen, sei keines für die besagte Einfuhr verantwortlich.

Drittgrösster Goldförderer

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Goldabbau in Russland aus der Vogelperspektive in der sibirischen Region Krasnojarsk.
Legende: Goldabbau in Russland aus der Vogelperspektive in der sibirischen Region Krasnojarsk. Keystone

Russland ist nach China und Australien der weltweit drittgrösste Goldförderer. Das Land produziert jährlich rund 300 Tonnen .

Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit teilt aus Datenschutzgründen nicht mit, an wen das russische Gold ging. Es weist aber darauf hin, dass als Abnehmer hauptsächlich Raffinerien, aber theoretisch auch Industrieunternehmen – etwa Schmuck- oder Uhrenfirmen – infrage kommen.

In der Branche wird spekuliert, wer das Gold importiert haben könnte. Etwa ein privater Investor, der das Gold in der Schweiz zwischenlagert und erst später raffiniert.

Swissaid fordert, dass die Schweiz nicht nur den direkten Goldimport aus Russland stoppt, sondern auch den indirekten – weshalb? Der Entwicklungsorganisation fallen die zunehmenden Goldimporte aus den Vereinigten Arabischen Emiraten auf: «Direkt nach Kriegsausbruch gab es massiven Anstieg von Importen aus Dubai in die Schweiz», sagt die Medienverantwortliche Thaïs In der Smitten. «Die Vereinigten Arabischen Emirate sind bekannt als Drehscheibe für Gold mit problematischer Herkunft.»

Swissaid hält es für plausibel, dass es sich dabei um verschleiertes russisches Gold handelt. Denn: Schon früher hätten Länder wie Venezuela und Libyen Dubai genutzt, um internationale Sanktionen zu umgehen.

Daher müsse der Goldimport gestoppt werden, damit sich die Schweiz nicht an der Finanzierung «des blutigen Krieges» beteilige.

Was sagt das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit zu den Importen aus Dubai? Rohgold aus den Vereinten Arabischen Emiraten kann laut dem Bundesamt legal eingeführt werden. Auch wenn betreffend der gestiegenen Goldimporte aus Dubai «keine konkreten Hinweise auf darin enthaltenes russisches Gold» bestehen, beobachte man die Veränderungen der Einfuhren «aufmerksam». Gleichwohl hält das Bundesamt fest: Die Zunahme habe bereits vor Ausbruch des Krieges respektive der Suspendierung russischer Raffinerien durch die LBMA eingesetzt.

Schwierige Rückverfolgbarkeit von Gold

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In der Fragestunde des Bundesrats hat sich Nationalrat Fabian Molina (SP/ZH) jüngst in der Sommersession über den Goldhandel erkundigt . Unter anderem wollte er wissen, was der Bundesrat unternimmt, um die Herkunft von Gold zu kontrollieren und weshalb das Ursprungsland nicht deklariert werden muss.

Der Bundesrat hält in seiner Antwort fest: Die Raffination von Gold gelte als Verarbeitung. Das Land, in dem das Edelmetall raffiniert werde, erhalte daher automatisch den Status des Ursprungslandes. Was die Deklaration betreffe, so hätten Schweizer Behörden weder das Mandat noch die Möglichkeit, die Herkunftsangabe des Goldes vor der Verarbeitung zu verlangen oder zu überprüfen.

10 vor 10, 22.06.2022, 21:50 Uhr

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