Von einer Abschwächung des Schweizer Wirtschaftswachstums gehen die Experten für das nächste Jahr zwar alle aus. Wie stark diese sein wird – darüber gehen die Meinungen der Konjunkturforscher der Credit Suisse, des Staatsekretariats für Wirtschaft (Seco) und der Konjunkturforschungsstelle BAK Economics aber auseinander.
Solche Prognosen sind bestenfalls so eine Idee, wo es hingehen könnte.
Ökonom Klaus Wellershoff hat früher selbst Konjunkturprognosen gemacht. Für ihn ist heute klar: «Solche Prognosen sind bestenfalls so eine Idee, wo es hingehen könnte. Wenn jemand für die Schweiz anderthalb Prozent Wachstum für das nächste Jahr prognostiziert, dann liegt der wahre Wert mit grosser Wahrscheinlichkeit zwischen null und drei.» Das liege an Ereignissen, die man nicht vorhersehen könne. Wie die Corona-Krise oder der Ukrainekrieg, begründet Wellershoff.
Prognosen für 2023 gehen auseinander
Die neuesten Prognosen für das BIP-Wachstum in der Schweiz im nächsten Jahr liegen zwischen 0.2 und 1 Prozent. Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco etwa rechnet mit einem BIP-Wachstum im 2023 von 0.7 Prozent, die Konjunkturforschungsstelle Bak Economics mit 0.2 Prozent.
Optimistischer ist man bei der Credit Suisse. Die Grossbank rechnet mit einem BIP-Wachstum von 1 Prozent. Kauffreudige Konsumentinnen und Konsumenten stützten die hiesige Wirtschaft. «In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Schweizer Wirtschaft meist besser durch Krisen gekommen ist als anfangs befürchtet. Ich erinnere an Prognosen vor der Corona-Pandemie, die von extrem tiefer Rezession ausgegangen sind», sagt Claude Maurer, Chefökonom der Credit Suisse. Auch in der Finanzkrise und in der Eurokrise sei das so gewesen. «Dank Zuwanderung und einem stützenden Konsum hat die Schweiz einen Wachstumsbonus, das sollte auch dieses Mal wieder spielen», so Maurer weiter.
Exportwirtschaft und Konsum leiden
Anders sehen das die Konjunkturforscher bei BAK Economics: «Wir sind etwas pessimistischer für die Schweiz als andere Institute, weil wir vor allem ein schlechtes internationales Umfeld sehen. Die Belastungen von Energiepreisen und Inflation schädigen die Exportwirtschaft», sagt Martin Eichler, Chefökonom der BAK Economics. Auch der Binnenkonsum leide unter der Inflation.
Wir Ökonomen sind sehr gut darin, die nächsten ein bis zwei Quartale zu prognostizieren und das Wachstum über eine ganz lange Frist von vielleicht zehn Jahren.
Für Ökonom Klaus Wellershoff wäre es seriöser, Prognosen statt für ein ganzes Jahr nur für kürzere Perioden zu machen. «Wir Ökonomen sind sehr gut darin, die nächsten ein bis zwei Quartale zu prognostizieren und das Wachstum über eine ganz lange Frist von vielleicht zehn Jahren.»
Für die kurze Frist ist Wellershoff pessimistisch: «Ich glaube, die Zeichen stehen im Augenblick auf Sturm und die nächsten zwei Quartale werden sehr, sehr schwer werden.» Negative Wachstumsraten seien weit verbreitet. «Die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession, ja vielleicht sogar eine Weltrezession, ist aktuell sehr gross.»