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US-Sanktionen gegen Russland «Schweizer Unternehmen fehlt die Weitsicht»

Ex-Botschafter Thomas Borer hat russische Oligarchen vertreten, die nun auf der Sanktionsliste der USA stehen. Seine Lehren aus dem Fall Sulzer.

Der Industriekonzern Sulzer ist wieder befreit von den US-Sanktionen. Die zuständige US-Behörde hat den Rückkauf von Aktien durch Sulzer bei Renova akzeptiert. Somit ist Renova kein Mehrheitsaktionär bei Sulzer mehr und Sulzer darum nicht mehr auf der Sanktionsliste.

Der Grund, warum das Schweizer Traditionsunternehmen in den Fokus der USA geriet, heisst Viktor Vekselberg. Der russische Oligarch und sein Unternehmen Renova stehen auf der Sanktionsliste der US- Regierung. Somit dürfen US-Bürger und Unternehmen keine Geschäfte mit Vekselberg und Renova mehr machen.

Vekselberg
Legende: Die von Vekselberg kontrollierte Renova-Gruppe ist nun mit einem Aktienanteil von 48,83 Prozent Minderheitsaktionär von Sulzer – damit entfallen die US-Sanktionen. Keystone

Einer, der lange mit Vekselberg zusammenarbeitete, ist Thomas Borer. Der frühere Diplomat ist heute Unternehmensberater und Lobbyist und war bis 2010 im Verwaltungsrat der Renova. Heute hat er kein Mandat mehr bei dem Unternehmen. «Ich hoffe und wünsche Sulzer, dass das Unternehmen nun nichts mehr aus den USA zu befürchten hat», sagt Borer.

Aber ausgestanden sei die Sache womöglich nicht. Die Situation in den USA müsse weiter genau verfolgt werden; die «Executive Order» der US-Regierung, mit der neuerliche Sanktionen ausgelöst wurden, sei in vielen Bereichen unbestimmt und lasse grossen Ermessenspielraum.

Einmal mehr scheinen Schweizer Unternehmen nicht in der Lage zu sein, das, was in den USA auf sie zukommt, vorauszusehen. Das lässt mich doch an der strategischen Weitsicht zweifeln.
Autor: Thomas Borer Lobbyist und ehemaliger Diplomat

Die «Executive Order» ziele bewusst darauf ab, Unsicherheit zu schüren, sagt Borer – und das offenbar mit Erfolg: «Sehr viele Unternehmen und Personen in den USA und Europa lassen grosse Vorsicht walten. Man will auf keinen Fall in den Ruf geraten, dass man weiterhin mit sanktionierten Russen Geschäfte macht.»

Sehenden Auges in die Sanktionsfalle?

An Schweizer Unternehmen, die wegen der Russland-Sanktionen ins Visier der US-Behörden geraten sind, übt der erfahrene Lobbyist allerdings deutliche Kritik: «Einmal mehr scheinen sie nicht in der Lage zu sein, das, was in den USA auf sie zukommt, vorauszusehen. Das lässt mich doch an der strategischen Weitsicht zweifeln.»

Namen nennt Borer nicht. Es sei aber bekannt, bei welchen Schweizer Unternehmen Oligarch Vekselberg grosse Beteiligungen habe. Er sei sehr erstaunt, dass diese Unternehmen nicht schon frühzeitig «im Sinne der Prävention» in den USA interveniert hätten – auch mit Hilfe der Schweizer Botschaft oder des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco).

Oleg Deripaska,
Legende: Erfahrener Vermittler für russische Oligarchen: Auch beim Milliardär Oleg Deripaska, der ebenfalls auf der US-Sanktionsliste steht, hatte Borer ein Mandat. Keystone

Borer spricht aus Erfahrung: «Mit meinem Netzwerk habe ich für ausländische Unternehmen, die in einer ähnlichen Lage waren, in den letzten Monaten eine Befreiung erreicht.» Man habe es geschafft, den zuständigen US-Behörden klar zu machen, dass die Sanktionen nicht im US-Interesse und die Kontakte zu Russland auch nur sehr indirekt seien.

Sulzer weist Vorwürfe zurück

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Legende: Keystone

Rainer Weihofen, Mediensprecher der Sulzer AG, weist gegenüber SRF News die Vorwürfe zurück, das Unternehmen habe die Entwicklungen in den USA nicht kommen sehen: «Wir kennen die Liste auch, die Anfang Jahr herumgereicht wurde. Zu dem Zeitpunkt war aber vollkommen unklar, wie sie zustande kam.» Mit anderen «Beobachtern des Marktes» sei man zum Schluss gekommen, dass wegen der ominösen Sanktionsliste keine Aktivität ausgelöst werden müsse. «In Zukunft werden wir noch genauer hinschauen, welche Regularien es gibt. Ich sehe aber keinen Anlass für einen gesteigerten Alarmismus», schliesst Weihofen.

Viktor Vekselberg ist nicht der einzige russische Oligarch, der in Schweizer Unternehmen investiert. Und Washington überlegt sich offenbar, weitere russische Tycoons mit Sanktionen zu belegen. US-Präsident Donald Trump stehe aufgrund der Russland-Affäre innenpolitisch unter Druck, sagt der langjährige Diplomat Borer: «Er muss dem Vorwurf entgegentreten, erpressbar zu sein, weil er Wahlkampfhilfe von Russland angenommen haben soll.» Borer fügt an: «Das lässt mich im Moment nicht sehr ruhig schlafen.»

Prominente Namen auf der Sanktionsliste

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Legende: US-Handelsministerium

Mit Sanktionen belegt wurden zahlreiche hochrangige Vertreter der Energiewirtschaft und auch Putins Schwiegersohn Kirill Schamalov. Ausserdem betroffen sind Gazprom-Chef Alexej Miller sowie – neben Viktor Vekselberg – Aluminium-Tycoon Oleg Deripaska , der Abgeordnete Suleiman Kerimow , dessen Familie den grössten russischen Gold-Produzenten Polyus kontrolliert und Igor Rotenberg .

Auch der bekannte Aussenpolitiker Konstantin Kossatschow sowie der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew , und der Direktor der Nationalgarde, Viktor Solotow , wurden auf die Sanktionsliste gesetzt.

Erleben wir also erst den Anfang einer Eskalationsspirale, die auch Schweizer Unternehmen hart treffen könnte? Borer spricht von einer «zweiten Stufe», die die USA nun gezündet hätten. Denn die ersten Russland-Sanktionen hätten nicht wirklich gefruchtet. «Die USA werden wohl eine dritte Stufe zünden, wenn sie glauben, dass die Massnahmen immer noch nicht genügen.»

Letztlich helfen die Sanktionen der Regierung Putin und stärken sie innenpolitisch.
Autor: Thomas Borer Lobbyist und ehemaliger Diplomat

Bleibt die Frage: Können die Sanktionen gegenüber russischen Unternehmen und Oligarchen den Kreml wirklich treffen? Mit Blick auf die Direktbetroffenen hält Borer die Folgen durchaus für schwerwiegend. Aber: «Letztlich helfen die Sanktionen der Regierung Putin und stärken sie innenpolitisch.» Die Oligarchen hätten gegenüber Putin wenig Macht und Einfluss: «Ich glaube, dass die Sanktionen in Bezug auf Putins Politik ihre Wirkung völlig verfehlen werden.»

Borer bereut Engagement für Oligarchen nicht

Borer selbst galt bei Renova als treibende Kraft für Investitionen in Schweizer Unternehmen. Heute hat er nach eigener Aussage keine russischen Mandate mehr. Würde der Ex-Botschafter rückblickend anders handeln? «Nein. Es war nicht absehbar, dass sich die geopolitische Lage zwischen Russland und den USA derart verschärft.»

Er hoffe, schliesst Borer, dass «die Tauben in beiden Lagern wieder die Oberhand gewinnen»: «Dann ist ein ‹Ankeraktionär› wie Vekselberg für Schweizer Unternehmen etwas Gutes.»

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