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Verdacht auf Umgehungsgeschäft Schweizer Exporte nach Zentralasien massiv gestiegen

Schweizer Firmen liefern seit Kriegsbeginn viel mehr Produkte in Länder nahe von Russland. Das gefällt nicht allen.

Usbekistan: plus 24 Prozent. Kasachstan: plus 39 Prozent. Armenien: plus 170 Prozent. Die Schweizer Exporte nach Zentralasien sind vergangenes Jahr massiv gestiegen – zurückzuführen vor allem auf Pharma-Exporte.

Grafik mit Ländern und Zahlen
Legende: Die Schweizer Exporte in die Anrainerstaaten Russlands haben im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. SRF

Dieses Jahr steigen die Exporte weiter, wie Zahlen des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit zeigen. Nun sind es zusätzlich Uhren, Präzisionsinstrumente, Bijouterie und Maschinen. Wachstumsraten von 30 Prozent und mehr – die Exportvolumen sind allerdings ein Vielfaches kleiner als jene in die Schweizer Hauptabnehmermärkte.

Was in Russland funktioniert, funktioniert auch in Usbekistan

Laut Alberto Silini vom Exportförderer Switzerland Global Enterprise bieten Kasachstan und Co. Schweizer KMU neue Chancen, seit Exporte nach Russland tabu sind. Weil die Schrift hüben wie drüben kyrillisch sei, könne man das Marketing eins zu eins übernehmen. «Was in Russland funktionierte, funktioniert mit grosser Wahrscheinlichkeit auch in Usbekistan oder Kasachstan», sagt Silini.

Was er aber auch beobachtet: In unmittelbarer Nähe zur russischen Grenze sind in Usbekistan und Kasachstan neue Firmen russischer Herkunft entstanden. Silini rät den Schweizer KMU, Partnerschaften genau zu prüfen, um Umgehungsgeschäfte zu vermeiden – vor allem sei wichtig, was mit den gelieferten Produkten passiert.

Umgehungsgeschäfte: nichts Neues

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Bei gross angelegten Sanktionsblockaden komme es meist zu Umgehungsgeschäften, sagt Alexander Libman von der Freien Universität Berlin. Ein Beispiel: Die Sanktionen gegen Südafrika während der Apartheid. «Länder wie Lesotho und Swasiland haben damals genau dieselbe Rolle gespielt: Schleusen in die sanktionierte südafrikanische Wirtschaft.»

Denn: Auch die Lieferungen aus besagten Ländern nach Russland steigen seit Kriegsbeginn. Alexander Libman, Russland-Experte an der Freien Universität Berlin, beobachtet dies mit Sorge: «Es ist realistisch, dass in solchen Fällen Sanktionen umgangen werden.»

Kasachstan, Kirgistan, Belarus und Armenien sind Mitglieder der Eurasischen Wirtschaftsunion. «Es gibt also keine Zollgrenzen zwischen diesen Ländern und Russland», sagt Libman, «das macht sie zu besonders attraktiven Schleusen, wenn man in die russische Wirtschaft gelangen will».

Sanktionen der USA mit Folgen

In der EU ist dies schon länger Anlass zur Sorge, denn auch von dort sind die Exporte in russische Nachbarstaaten teils exorbitant gestiegen. Nun will die EU die Ausfuhr einiger mit Sanktionen belegten Güter an Drittländer verbieten – «mit Blick auf bestimmte Drittländer», wie es im 11. Sanktionspaket gegen Russland heisst.

Auch die USA vermuten Umgehungsgeschäfte. Sie haben jüngst ein russisches Zahlungssystem für Geschäfte zwischen Russland und den Nachbarstaaten sanktioniert – prompt stellten kasachische und usbekische Banken entsprechende Zahlungen ein.

Besonders heikel sind Exporte dann, wenn sie Dual-Use-Güter betreffen, Güter also, die auch militärisch eingesetzt werden können. Dann gehen sie beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco über den Tisch. Das Seco sagt auf Anfrage von SRF, man habe mehrere russische Beschaffungen sensibler Güter über Kasachstan, Usbekistan und Armenien verhindert.

Tagesschau, 15.08.2023, 19:30 Uhr

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