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Versuche an Menschen «Das Bild der skrupellosen Autobauer wird bleiben»

Die deutsche Automobilbranche gerät im Abgasskandal erneut in die Kritik. Deutsche Medien berichten, dass die Industrie zu Testzwecken nicht nur Affen eingesetzt habe, sondern auch Menschen. Der Forschungsverband der Autobauer habe einen umstrittenen Versuch mit Menschen mitfinanziert.

SRF News: Wie reagieren Sie auf die neusten Enthüllungen?

Ferdinand Dudenhöffer: Ich war schockiert. Man kann sich ja vieles vorstellen, aber dass man Abgastests an Menschen macht, um nachzuweisen oder vorzuführen, dass Dieselautos in den USA besser verkauft werden können, also dass man Werbefilme daraus macht, ist abnorm, bizarr, nicht mehr nachvollziehbar.

Was könnte es für Folgen haben?

Wenn es wirklich Versuche an Menschen waren, hat man einen grossen Schaden, mit dem man lange leben muss. Das Bild der skrupellosen Autobauer wird im Gedächtnis der Menschen bleiben. Das ist wirklich sehr schlimm, denn damit ist das Vertrauen, das für die Industrie gegenüber ihren Kunden wichtig ist, für lange Zeit beschädigt.

Die neuen Entwicklungen kommen also zur falschen Zeit?

Sie kommen zur falschen Zeit, da Aufarbeitung bei den Dieselabgasproblemen notwendig ist. Und sie kommen auch deshalb zur falschen Zeit, weil wir in die Zukunft der Automobilindustrie gehen. In dieser wollen wir mit autonomen Fahrzeugen, mit Roboterautos unterwegs sein. Dazu braucht man jede Menge an Vertrauen, dass die Maschinen, die selbstständig fahren, so konzipiert sind, dass man ihnen vertrauen kann. Ich sehe zwei grosse Probleme: Die Vergangenheitsbewältigung hört nicht auf, und beim Weg in die Zukunft haben wir uns grosse Steine in den Weg gelegt.

Wie sind diese Tests abgelaufen?

Bei den Affen war es so, dass die Tiere wohl über längere Zeit Stickstoffdioxid ausgesetzt worden sind und nachher getestet wurde, ob es gesundheitliche Auswirkungen hat.

Man kann überhaupt nicht verstehen, dass sich universitäre Einrichtungen für Werbevideos hingeben, um solche Sachen an Menschen zu testen.

An Menschen sollen angeblich während kurzer Zeit an der Universität Aachen solche Tests durchgeführt worden sein. Auch da kann man überhaupt nicht verstehen, dass sich universitäre Einrichtungen für Werbevideos hingeben, um solche Sachen an Menschen zu testen.

Wenn man Versuche an Affen durchführt, ist das halbwegs okay. Aber wenn man Versuche mit Menschen durchführt, geht Ihnen das zu weit?

Das ist meine Einschätzung. Wir wissen, dass Tierversuche in grossen Bereichen gemacht werden. Ich kann die Entrüstung verstehen, aber wir sollten dann grundsätzlich über Tierversuche allgemein nachdenken.

Es ist völlig falsch, was die Automobilindustrie mit den Affen gemacht hat, aber es ist nochmals eine andere Dimension, wenn man Menschen gesundheitlichen Belastungen aussetzt, nur, um ein paar Autos mehr zu verkaufen. Das ist ungeheuerlich.

Es ist völlig falsch, was die Automobilindustrie gemacht hat, aber es ist nochmals eine andere Dimension, wenn man Menschen gesundheitlichen Belastungen aussetzt, nur um ein paar Autos mehr zu verkaufen. Das ist ungeheuerlich. Es geht nicht.

Ferdinand Dudenhöffer

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Ferdinand Dudenhöffer gilt als der ­deutsche «Automobilpapst». Der Professor für Marketing und ­Unternehmensführung gründete im Oktober 2008 gemeinsam mit seiner Professoren-Kollegin Dr. Eva-Maria John das CAR Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen.

Das Gespräch führte Daniel Eisner.

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