Zwölf Jahre lang prägte Thomas Jordan als SNB-Chef die Geldpolitik der Schweiz. Im vergangenen Herbst nahm der 62-Jährige den Hut. Nun wird er ab April neu im Verwaltungsrat der Zürich Versicherung sitzen, wie der Konzern bekannt gab. Der Wechsel überrascht. Nicht nur, weil man den Akademiker eher in der Forschung gesehen hat, sondern auch, weil der Wechsel in die Privatwirtschaft so früh kommt. SRF-Wirtschaftsredaktor Reto Lipp ordnet ein.
Ist es vertretbar, dass ein ehemaliger SNB-Chef sechs Monate nach seinem Rücktritt in die Privatwirtschaft wechselt?
Bei den meisten Firmen gibt es eine sogenannte «Cooling-off»-Periode bei einem Wechsel in eine solch wichtiges neues Amt. Das gibt es auch bei der SNB. Die Regel besagt, dass man sechs Monate in Ausstand treten muss. Thomas Jordan ist Ende September ausgestiegen bei der SNB. Damit sind das dann bis Anfang April exakt sechs Monate. Für die Zürich Versicherung ist das ein Coup, denn kaum jemand kennt die Finanzmärkte und die Auswirkungen der Geldpolitik besser als Thomas Jordan.
Wie problematisch ist dieser Wissenstransfer von der SNB in die Privatwirtschaft?
Den Wechsel von Nationalbankern in Grosskonzerne gab es schon öfters, Jean-Pierre Roth beispielsweise ging nach seinem SNB-Abgang in den Verwaltungsrat der Swatch Group. Das Wissen der Notenbanker ist bei den Firmen sehr gefragt – allerdings kann man darüber diskutieren, ob die Frist mit sechs Monaten nicht zu kurz ist und man diese «Abkühlungsperiode» länger machen müsste. Gewisse Firmen setzen auf 12 Monate.
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Bild 1 von 3. Thomas Jordan war von 2012 bis 2024 Präsident der Schweizerischen Nationalbank. Nun wird er ab April im Verwaltungsrat der Zürich Versicherung sitzen. Bildquelle: KEYSTONE/Michael Buholzer.
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Bild 2 von 3. Sein Vorgänger Philipp Hildebrand war von 2010 bis 2011 SNB-Chef. Nachdem er wegen umstrittener Devisengeschäfte zurücktrat, ging er ins Ausland und wurde Vizepräsident beim Vermögensverwalter Blackrock in London. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Klaunzer.
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Bild 3 von 3. Jean-Pierre Roth war von 2001 bis 2009 Präsident der Schweizerischen Nationalbank und wechselte nach seinem Abgang in den Verwaltungsrat der Swatch Group. Bildquelle: KEYSTONE/Alessandro Della Bella.
Wie überraschend ist der Wechsel von Thomas Jordan zur Zürich Versicherung?
Der Wechsel verblüfft, weil Thomas Jordan bisher eher als Akademiker wirkte und man sich eher hätte vorstellen können, dass er wieder seine Professur an der Universität Bern aufnimmt. Bisher hatte er sich eher weniger für Grosskonzerne und Big Business interessiert. Da scheinen sich jetzt im Ruhestand die Prioritäten verschoben zu haben.
Passt das neue Amt zu Jordan?
Thomas Jordan hat bei seinem Abgang gesagt, er werde jetzt vor allem mit dem Hund spazieren gehen. Offensichtlich ist es ihm da schnell langweilig geworden. Als Notenbanker passt er durchaus zur Zürich Versicherung, die natürlich eine riesige Anlagesumme zu verwalten hat und deshalb stark den Launen der Finanzmärkte ausgesetzt ist. Da kommt das Know-how von Thomas Jordan gelegen. Nach diesem ersten Mandat kann man sich durchaus vorstellen, dass Thomas Jordan noch für weitere Verwaltungsratsmandate offen ist.