Gold hat den Euro als zweitgrösste globale Währungsreserve für Zentralbanken überholt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat deshalb vor einer Instabilität am Goldmarkt gewarnt. Dies, weil die Zahl an Lieferverpflichtungen in Rekordhöhe schiessen könnte. Im schlimmsten Fall könnten Banken pleitegehen, heisst es weiter. Denn Gold gilt als sicherer Hafen, doch gerade dieser Ruf nach einem sicheren Hafen könnte nun gefährlich werden. Finanzexpertin Tonia Zimmermann schätzt ein.
SRF News: Was meint die EZB mit der Instabilität am Goldmarkt?
Tonia Zimmermann: Die EZB weist auf den Fakt hin, dass es zwei Arten von Gold gibt: Es gibt physisches Gold wie Goldbarren und es gibt Papiergold, das Terminkontrakte beinhaltet. Das Volumen von Papiergold ist um einiges grösser als jenes von physischem Gold. Wenn die Ansprüche aus den Terminkontrakten geltend gemacht würden, dann würde das physische Gold nirgends hinreichen. Die EZB weist auf dieses Missverhältnis hin und warnt, dass sich dies zu einer Instabilität zuspitzen könnte.
Diese Situation ist in der Vergangenheit einfach nicht beobachtet worden.
Die EZB spricht von sogenannten physisch erfüllten Gold-Terminkontrakten. Sie seien für Banken besonders riskant. Warum?
Die Terminkontrakte sind nicht von Natur aus gefährlich oder per se schlecht für das Finanzsystem. Das Problem ist, dass oft nur ein sehr kleiner Teil als Reserve gehalten werden muss. Angenommen, ich muss einen Terminkontrakt erfüllen und physisches Gold liefern, so halte ich als Reserve oder als Deckung tatsächlich nur einige wenige Prozente davon.
Wenn nun vermehrt solche Ansprüche geltend gemacht werden – mehr als in der Vergangenheit –, dann müssen sich die Banken und andere Akteure im Finanzmarkt mit physischem Gold eindecken, damit sie es liefern können. Dies könnte zu Schwierigkeiten am Markt führen. Diese Situation ist in der Vergangenheit einfach nicht beobachtet worden.
Wie könnten solche Lieferschwierigkeiten zur Pleite einer einzelnen Bank führen?
Es gibt zwei Probleme, wenn sich die Banken am Markt mit physischem Gold so eindecken müssten. Das erste Problem ist, dass es unter Umständen gar nicht genug physisches Gold gibt. Zweitens geraten die Lieferketten ans Limit, wenn jeder nach physischem Gold schreit.
Beide Komponenten stellen zusammen eine Gefahr für Banken dar: Entweder können sie das Gold überhaupt nicht liefern und so die Kontrakte nicht bedienen. Oder sie müssen das Gold zu substanziell höheren Preisen erwerben, auch wenn die Lieferketten nicht mehr funktionieren.
Wie realistisch sind die Warnungen von Expertinnen und Experten, dass die Situation zur Pleite einzelner Banken führen könnte?
Im Endeffekt hängt alles davon ab, wie viele Marktteilnehmer ihren Anspruch aus den Terminkontrakten auf physisches Gold einlösen möchten. Wenn es so weitergeht wie bis anhin, dass also niemand auf diesen Anspruch zurückgreift, dann läuft alles weiter wie gehabt. Aber wenn viele Marktakteure wirklich physisches Gold geliefert haben möchten, dann existiert eine reelle Chance, dass Banken an den Anschlag kommen, wenn sie diese Kontrakte erfüllen müssen. Oder sie müssen das Gold einfach zu einem viel höheren Preis erwerben, als sie es den Kunden verkauft hatten.
Das Gespräch führte Can Külahcigil.