«Wir bieten ein patriotisches Produkt», sagt Matthias Sulzer, wenn er von seiner Geschäftsidee spricht. Er meint: Strom aus 100 Prozent Schweizer Wasserkraft. «Unser Kunde kann ein Schweizer Wasserkraftwerk wählen, das seinen Strom produziert».
Mann unter Strom
Matthias Sulzer ist Präsident der Genossenschaft E-Can, die dieses Geschäftsmodell einführen will. Er appelliert an das ökologisches Bewusstsein. «Seinen» Strom liefern zwei Walliser Kraftwerke: Ernern und Mörel.
Der 47-jährige ist ein erfahrener Unternehmer im Energiebereich. Und er ist Forscher an der Eidgenössischen Materialprüfungszentrale Empa. Dort hat er als Leiter des Kompetenzzentrums für Energieforschung einen Sensor für die Datenübermittlung mitentwickelt, der das Geschäftsmodell von E-Can technisch möglich macht.
So funktionierts
E-Can misst per Sensor den Stromverbrauch seiner Kunden. Die Daten werden dank dem Sensor von Matthias Sulzer zum Wasserkraftwerk im Wallis geleitet. Dort wird für den Kunden von E-Can so viel Strom produziert, wie dieser zu Hause verbraucht. Der Kunde bezahlt 7,5 Rappen pro Kilowattstunde. E-Can übernimmt die Abrechnung, das heisst den Kauf und Verkauf dieses Schweizer Stroms auf dem Markt und behält dafür einen Rappen pro Kilowattstunde.
Weil der Kunde den Strom nicht selber nutzen kann – es gibt ja noch keine freien Markt – sind die Details der Abrechnung etwas kompliziert. E-Can verkauft den Strom im Auftrag des Kunden auf dem freien Markt. Der Kunde erhält den Erlös, mit dem er dann wiederum einen Teil seiner Stromrechnung bei seinem eigenen Elektrizitätswerk bezahlen kann. Beim aktuellen Strompreis legt ein E-Can-Kunde allerdings in vielen Kantonen und Gemeinden drauf – im Schnitt etwa 1,5 Rappen pro Kilowattstunde.
Der Hintergrund
Private können in der Schweiz nicht frei wählen, woher sie ihren Strom beziehen. Sie müssen ihn beim lokalen Elektrizitätswerk kaufen. Der Markt ist für private Stromkonsumenten nicht frei. Die Genossenschaft E-Can bietet ihren Kunden jedoch an, ihren Stromverbrauch zusätzlich in einem Schweizer Kraftwerk produzieren zu lassen.
Kompliziertes Geschäftsmodell
Es brauche viel Aufklärungsarbeit für dieses Geschäftsmodell, gesteht Matthias Sulzer ein, «aber sobald der Markt aufgeht, dann wird’s viel einfacher, dann kann der Kunde bei uns Strom bestellen, wir liefern, produzieren, speisen für ihn ein und können direkt bei ihm abrechnen.»
Die Öffnung des Strommarktes für Privatkunden ist jedoch nicht vor 2022 zu erwarten.
Industrie will Billigstrom
Das Geschäftsmodell von E-Can sei innovativ und deshalb begrüssenswert, findet Michael Frank, Direktor des Verbands der Elektrizitätsunternehmen, es sei aber eine Nische: «Wenn sich Kunden finden, die die bereit sind, mehr zu zahlen, bringt das den Produzenten tatsächlich etwas». Fakt sei, dass Wasserkraft ein Problem habe.
Eine Lösung für die Schweizer Wasserkraft biete E-Can aber nicht, auch wenn Private bereit seien, über E-Can eine Art Solidaritätsbeitrag zu bezahlen: «Den grösseren Teil des Stromes bezieht die Wirtschaft. Die will nur Billigstenergie, und die kommt heute aus dem Ausland», so Michael Frank.
Immerhin: Unternehmen, wie die Raiffeisen und Halter-Immobilien haben beim E-Can-Wasserkraft Projekt zugesagt. Matthias Sulzer benötigt das Interesse von mindestens 10’000 Haushalten. Bis März will er die Kunden zusammen haben. Dann zeigt sich, ob seine Idee marktfähig ist.