Zum Inhalt springen

Weltwirtschaftsforum «Man muss sich auf dem Arbeitsmarkt weiterentwickeln»

Der Jobmarkt verändert sich. Randstad-Chef Sander van 't Noordende erklärt am Weltwirtschaftsforum in Davos, wie Arbeitnehmende erfolgreich bleiben.

Sander van 't Noordende

Geschäftsführer Stellenvermittler Randstad

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Sander van 't Noordende ist seit 2019 Chef vom niederländischen Stellenvermittler Randstad. Der Dienstleister ist in 38 Märkten, darunter auch die Schweiz, tätig. Randstad beschäftigt 39'600 Leute und erzielt einen Umsatz von knapp 25 Milliarden Euro.

SRF News: Wegen des Fachkräftemangels haben die Arbeitnehmenden die Nase vorn im Arbeitsmarkt. Was ist den Leuten wichtig an einem Job?

Sander van ‘t Noordende: Flexible Arbeit und die Frage, wo die Leute arbeiten, wann und wie sie arbeiten, steht ganz, ganz oben auf der Liste mit den Forderungen. In unserer Umfrage, dem Workmonitor, gab die Hälfte der Befragten an, dass sie kündigen wollen, wenn sie nicht flexibel arbeiten können (siehe Box).

Wichtig ist den Menschen auch das Gefühl der Zugehörigkeit.

Kann man es heute, da alles teurer wird, noch riskieren, arbeitslos zu werden?

Die Arbeitslosigkeit, insbesondere auch in der Schweiz, ist immer noch sehr niedrig. Klar wird der Arbeitsmarkt ein wenig schwieriger und die Sorge um den Job nimmt zu. Der Arbeitskräftemangel wird aber nicht so schnell verschwinden. Und Talentknappheit wird es immer geben.

Zunehmende Sorge um den Job

Box aufklappen Box zuklappen

Neben der gewünschten Flexibilität an der Arbeit rückt bei den Menschen auch die Jobsicherheit in den Fokus.

Im jüngsten Workmonitor von Randstad bei 35'000 Arbeitnehmenden in Europa, dem asiatisch-pazifischen Raum und Nord- und Südamerika gab mehr als die Hälfte (52 Prozent) an, über die Auswirkungen der wirtschaftlichen Ungewissheit auf ihre Arbeitsplatzsicherheit besorgt ist.

Mehr als ein Drittel (37 Prozent) hat Angst, den Job zu verlieren, bei der Generation Z, also den 18- bis 24-Jährigen, sind es sogar 43 Prozent – ein Anstieg von 10 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr.

Dies bedeute jedoch nicht, dass die Arbeitnehmenden bereit seien, auf flexibles Arbeiten und eine gute Work-Life-Balance zu verzichten, so die Umfrage weiter.

Ein Drittel (33 Prozent) der Arbeitnehmenden wäre immer noch lieber arbeitslos als unglücklich in einem Job, und mehr als zwei Fünftel gaben an, dass sie ihren Arbeitsplatz kündigen würden, wenn ihr Arbeitgeber ihre Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen nicht berücksichtigt.

Was bedeutet das für die Unternehmen?

Die Arbeitgeber müssen noch einmal einen Zahn zulegen. Nicht nur, was flexibles Arbeiten betrifft. Wichtig ist den Menschen auch das Gefühl der Zugehörigkeit. Sie wollen ihre Geschichte mit zur Arbeit bringen und nicht an der Türe zurücklassen. Sie wollen an der Kaffeemaschine über ihre Familie und ihr Leben sprechen. Die Atmosphäre am Arbeitsplatz ist so entscheidend. Und auch das Gehalt muss marktkonform sein.

Die steigenden Lebenshaltungskosten belasten Arbeitnehmende und Arbeitgeber. Erstere fordern höhere Löhne, zweite wollen Kosten senken. Wie geht das zusammen?

Das ist eine Herausforderung. Wir haben in unserer Umfrage gesehen, dass Angestellte von ihren Arbeitgebern Unterstützung bekommen, in Form eines kleinen Zuschusses für die Stromrechnung beispielsweise. Oder der Arbeitgeber organisiert Fahrgemeinschaften, um die Kosten für Arbeitnehmende zu senken.

Die jüngeren Generationen sind stärker betroffen, weil sie am Anfang ihrer Karriere stehen.

Welche Generation von Arbeitnehmenden ist von dieser Krise bei den Lebenshaltungskosten am meisten betroffen?

Die jüngeren Generationen sind stärker betroffen, weil sie am Anfang ihrer Karriere stehen. Sie sind noch nicht so sesshaft. Vielleicht haben sie noch kein eigenes Zuhause. Wir sehen in den Umfragen, dass vor allem die Generation Z, also die 18- bis 24-Jährigen, eher dazu neigen, einen Zweitjob anzunehmen oder mehr zu arbeiten, um einen besser bezahlten Job zu finden.

Die fortschreitende Digitalisierung wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus. Welche Fähigkeiten sind gefragt, um im Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein?

Die wichtigste Fähigkeit, die man braucht, ist Neugierde und der Wunsch, sich zu verändern und zu lernen. Und dann hängt es von der Rolle, dem Job und dem Bereich ab, in dem man tätig ist, welche Fähigkeiten das sind. Aber man muss bereit sein, sich weiterzuentwickeln.

Das Gespräch führte Andi Lüscher.

Schweizer Lehrlingsmodell als Schlüssel zum Erfolg

Box aufklappen Box zuklappen

Die Zukunft des globalen Arbeitsmarktes ist auch an anderen WEF-Veranstaltungen ein Thema. Die Kluft zwischen den gering-qualifizierten und den hochqualifizierten Jobs weite sich wegen des technologischen Fortschritts immer weiter aus, sagt Gilbert Houngbo, Generaldirektor des Internationalen Arbeitsorganisation ILO.

Verschiedene Stimmen aus der Politik und der Wirtschaft sehen «Re-skilling» (Umschulung) und «Up-Skilling» (Höherqualifizierung) als Lösungsansatz. Damit könne der Anschluss in der Arbeitswelt gesichert werden, sagt Pamela Coke-Hamilton, die Executive-Direktorin des Internationalen Handelszentrum ITC. Für sie ist es wichtig, dass die Schwellenländer im Zuge der digitalen Transformation auf dem globalen Arbeitsmarkt nicht abgehängt werden.

Der US-Amerikanische Arbeitsminister Martin Walsh lobt während der Diskussion das schweizerische Lehrlingsmodell. Ein Berufsausbildungsmodell wie dieses schaffe Möglichkeiten für Arbeitnehmende, von geringer qualifizierten und geringer bezahlten Jobs in besser bezahlte aufzusteigen. Dies sei weltweit der Schlüssel zum Erfolg in der Zukunft.

SRF Börse, 17.01.2022, 19.25 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel