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«Wie bitte?» Hörgerät: auf dem Weg vom Hilfsmittel zum modernen Gadget

Hörgeräte sind in der Schweiz nicht voll etabliert. Innovationen und Zusatzfunktionen könnten das in Zukunft ändern.

Der Schweizer Hörgerätehersteller Sonova hat ein neues Produkt lanciert. Die Neuheit: Mithilfe künstlicher Intelligenz schafft es das Hörgerät, Umgebungsgeräusche besser herauszufiltern als bisherige Hörgeräte. Hannes Wüthrich, Ingenieur in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Sonova, erklärt: «Die Sprachverständlichkeit in komplexen Situationen mit viel Umgebungslärm wie beispielsweise in Restaurants wird nochmals deutlich verbessert.»

Laut dem Konzernchef Arnd Kaldowski ist dieser technologische Schritt der grösste seit 15 Jahren und damit ein Meilenstein in der besseren Sprachverständlichkeit.

Alle zwei Jahre eine Innovation

Innovativ zu sein, sei in der Branche unverzichtbar, sagt die Vontobel-Analystin Sibylle Bischofberger. Daher würden Hörgerätehersteller normalerweise alle zwei Jahre ein neues Produkt mit neuen Technologien und Verbesserungen lancieren. «Die Hersteller müssen das beste und innovativste Gerät auf den Markt bringen, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Sonst verlieren sie Marktanteile und verschwinden letztlich vom Markt.»

Weltweiter Hörverlust – Entwicklung bis 2050
Legende: Weltweiter Hörverlust Entwicklung bis 2050 Weltgesundheitsorganisation (WHO), 2021

Leistungsfähigere Hörgeräte könnten auch neue Kundschaft anlocken. Das weltweite Potenzial an neuen Kundinnen und Kunden ist längst nicht ausgeschöpft.

Gemäss der Weltgesundheits­organisation (WHO) sind insgesamt 1.5 Milliarden Menschen von einem gewissen Grad an Hörverlust betroffen. Bis 2050 könnten es bis zu 2.5 Milliarden werden. Davon leiden heute 430 Millionen Menschen unter mittlerem bis starkem Hörverlust. Bis 2050 schätzt die WHO, dass die Zahl auf über 700 Millionen Menschen steigen wird.

Vor allem Ältere betroffen

In der Schweiz sind über neun Prozent der Bevölkerung von einer Hörbeeinträchtigung betroffen. Ein Hörgerät trägt hierzulande allerdings nur knapp die Hälfte davon.

Schwerhörigkeit ist in den meisten Fällen eine Alterskrankheit. Die Mehrheit der Betroffenen ist über 65 Jahre alt. Dabei leiden Männer häufiger unter einer Hörbeeinträchtigung.

Hörbeeinträchtigungen Schweiz
Legende: Hörbeeinträchtigungen Schweiz Schweizerische Gesundheitsbefragung 2022, BFS

Die tiefe Rate an Hörgeräteträgerinnen und Hörgeräteträgern ist für den Hörakustiker Simon Blättler nicht überraschend: «Gerade unser jüngeres Kundensegment hat noch ein bisschen das Stigma im Kopf, dass man mit einem Hörgerät alt ist und geniert sich eher ein bisschen.»

Die Vontobel-Analystin Sibylle Bischofberger ergänzt, dass es sich zusätzlich um ein teures Medizinalprodukt handle, welches mehrere tausend Franken kosten könne.

Kostenbeteiligung an Hörgeräten

Box aufklappen Box zuklappen

Die Sozialversicherungen IV und AHV beteiligen sich nur unter bestimmten Bedingungen an den Kosten für Hörgeräte. So muss unter anderem ein bestimmter Prozentsatz an Hörverlust ärztlich bestätigt werden. Bis zum Rentenalter beteiligt sich die IV an den Kosten, bei Rentnerinnen und Rentnern die AHV.

Zusatzfunktionen wie Musik hören, Telefonieren oder Streamen via Hörgerät könnten das Thema jedoch für die breitere Masse zugänglich machen, sagt der Hörakustiker Simon Blättler. «Mit den ganzen modernen Funktionen ist ein Hörgerät mittlerweile eine lässige Kommunikationslösung statt einfach nur eine Hilfe, um ein bisschen besser zu hören.»

Kein Lifestyle-Produkt

Auf die neue Generation Hörgeräteträgerinnen und -träger – die Babyboomer – setzt auch Sonova. Zu den Babyboomern sagt der Konzernchef Arnd Kaldowski: «Sie sind einerseits technologieaffiner, andererseits stehen sie noch sehr aktiv im Leben und wollen dabei in jeder Situation gut hören können.»       

Dennoch bezweifelt Simon Blättler, dass sich das Hörgerät zu einem Lifestyle-Produkt wie etwa die Brille entwickeln wird. Beim Sprung von einer einfachen Hörhilfe zu einem modernen technischen Gadget sei man jedoch auf einem guten Weg.

10vor10, 07.08.2024, 21:50 Uhr

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